Man ist in einer Seilschaft auf dem Gletscher unterwegs und plötzlich passiert es: Ein Seilschaftsmitglied fällt in eine Gletscherspalte – oder sinkt so weit in eine Spalte ein, dass man sie oder ihn per Flaschenzug oder loser Rolle bergen muss. Nicht immer ist es möglich, den Verunfallten „einfach“ per Mannschaftszug – also per koordiniertem Zug am Seil – wieder herauszuziehen.
Was ist bei einem Spaltensturz zu tun?
Um ein verunglücktes Seilschaftsmitglied sicher wieder aus einer Spalte zu bergen, ist das sichere Beherrschen der Spaltenbergungstechnik und Routine beim Anlegen eines sogenannten Toten Mannes oder eines anderen Fixpunktes am Gletscher Voraussetzung.
Wie das funktioniert, sollte unbedingt in einem einschlägigen Kurs, wie er zum Beispiel von vielen Alpenvereinssektionen und Bergschulen angeboten wird, erlernt werden. Um im Falle eines Falles mit der nötigen Ruhe und Routine eingreifen zu können, reicht die bloße Lektüre von Anleitungen nicht aus.
Wir appelieren daher an dieser Stelle klar an den gesunden Menschenverstand und raten zur Teilnahme an einem Kurs!
Wer sich neben einem Spaltenbergungskurs umfassend in die aktuelle Sicherungslehre im alpinen Umfeld einlesen möchte, findet im Alpin-Lehrplan 3 des Deutschen Alpenvereins (DAV) eine wertvolle Informationsquelle:
- Alpin-Lehrplan 3 (Andreas Dick und Peter Geyer, Bruckmann Verlag, 7. überarbeitete Auflage 2017)
Das Bergsportmagazin ALPIN bietet auf seiner Website darüber hinaus eine fundierte Anleitung zur Spaltenbergung:
Welche Ausrüstung benötige ich für eine Spaltenbergung?
Die Frage sollte viel eher lauten: Welche Ausrüstung brauche ich für eine Gletschertour? Denn wer auf einen Gletscher startet, sollte die für eine Spaltenbergung notwendige Ausrüstung automatisch mit dabei haben. Im Folgenden geben wir einen Überblick, welche Ausrüstungsbestandteile für einen gelungenen Bergungsvorgang notwendig sind.
Ausrüstungsliste für jedes Seilschaftsmitglied
- Hüftsitzgurt
- 2 bis 3 Normalkarabiner
- 1 HMS-Karabiner
- 1 Safe-Lock-Karabiner (der DMM Belay Master und Petzl Ball-Lock sind hierfür besonders geeignet)
- 1 Sicherungsgerät bzw. Abseilgerät (Tuber)
- 1 bis 2 Schraubkarabiner
- 1 bis 2 Bandschlingen 120 Zentimeter
- 1 Bandschlinge 60 Zentimeter
- 5 Millimeter-Reepschnüre für Prusikschlingen: 3,5 Meter, 2 Meter und 1 Meter)
- pro Seilschaft 2 bis 3 Eisschrauben mit 15 bis 19 Zentimetern Länge
- Seilklemme (Tibloc oder Ropeman) – wenn vorhanden
- Helm (ist am Gletscher immer sinnvoll, insbesondere bei steileren Gletschertouren, auf denen auch Eis- und Steinschlag droht)
Grundausstattung für eine Gletschertour
- Halbseil oder Einfachseil: imprägniert, je nach Seilschaftsgröße mindestens 40 Meter, für eine Zweierseilschaft ist ein Halbseil in der Regel ausreichend
- Steigeisen: je nach Schwierigkeit der Gletschertour Leichtsteigeisen bis hin zu vollwertigen Eiskletter-Steigeisen mit Antistollplatten
- Eispickel: auch hier gilt – je nach Schwierigkeit der Tour reichen einfachere Eispickel mit geradem und langem Schaft aus, für schwierigere Touren sollte der Pickel gekrümmt und etwas kürzer sein
Ausnahmefall Bergungskit
Petzl hat das RAD-Bergungssystem im Sortiment, das wir an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen wollen. RAD steht für „Rescue And Descent“ und ist ein komplettes, klein verpackbares und vor allem leichtes Spaltenbergungskit, dessen Einsatz sich insbesondere für Bergführer und Freerider empfiehlt. Dieses Set ist für die Bergung, nicht aber für die Sicherung am Gletscher konzipiert.
Achtung: Hobbybergsteiger sollten lieber die Finger davon lassen! Es handelt sich um eine statische Leine, die für die meisten Gletschergänger gefährlicher ist, als der Einsatz eines „herkömmlichen“ Spaltenbergungssets!
Das Problem des RAD-Bergungssystems ist nämlich, dass die statische Leine keine Sturzenergie aufnehmen kann. Wenn also ein Seilschaftsmitglied in eine Spalte fällt und man nicht am vollständig gespannten Seil geht, kann es die anderen Seilschaftsmitglieder auch umreißen. Der Sturzzug ist viel höher als bei dynamischen Seilen, wie sie in Seilschaften nach Lehrmeinung verwendet werden sollten.
Fazit zur Spaltenbergung
Das A und O auf einer Gletschertour ist die vollständige Ausrüstung analog der oben stehenden Liste. Schon ein fehlendes Teil kann dazu führen, dass man im Falle einer Spaltenbergung vor unlösbaren Problemen steht und die Bergung nicht wie geplant durchgeführt werden kann.
Die Ausrüstung mag jedoch noch so neu und vollständig sein, sie bringt rein gar nichts, wenn man das Spaltenbergen nicht geübt hat – oder die letzte Übung schon viele Jahre zurück liegt. Von daher gilt die Regel: Spätestens alle drei Jahre sollte man an einem Spaltenbergungskurs teilnehmen.
Alle Ausrüstungsgegenstände zum Thema Hochtour:
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