Klettern in Absprunghöhe ohne Seilsicherung: Das ist Bouldern. Klingt lässig und harmlos. Ist es auch. Eigentlich. Denn tatsächlich bewegt man sich beim Bouldern in der Halle bis in maximal 4,50 Meter Höhe. Im Gegensatz zum Klettern braucht man dabei weder Gurt noch Seil. Völlig befreit steigt man an farbigen Griffen und Tritten aufwärts. Kommt man nicht mehr weiter, klettert man wieder ab oder springt einfach in die weiche Matte, die den gesamten Boulderbereich ausfüllt. Es wird also auch „geflogen“ beim Bouldern – manchmal absichtlich und manchmal eher ungeplant.
Unfälle beim Bouldern: Das sagt die Statistik
Alljährlich untersuchen der DAV und der Kletterhallen-Verband KLEVER in ihrer Kletterunfallstatistik die Häufigkeit und Ursachen von Unfällen im Klettersport. Das Ergebnis:
- Bouldern ist mit rund zwei Dritteln aller Unfälle deutlich verletzungsträchtiger als Seilklettern. 2018 waren insgesamt 90 Rettungseinsätze für verletzte Boulderer nötig.
- Ein Großteil der Verletzungen bezog sich auf die Extremitäten – die Folge von Mattenstürzen. Durch unkontrollierte Stürze kam es häufig zu Sprunggelenksverletzungen durch Umknicken oder Unterarmverletzungen durch Abstützversuche.
Wie Du Verletzungen vorbeugst und in der Halle sicher beim Bouldern unterwegs bist, verraten wir Dir in den acht folgenden Tipps.
Bergzeit
Tipp 1: Vorschriften der Hallenbetreiber beachten
In allen Boulderhallen hängen Tafeln, in denen die Verhaltensregeln kurz und bündig zusammengefasst sind. Hier wird Dir erklärt, worauf Du zur eigenen und der Sicherheit der anderen Boulderer achten solltest. So kann es beispielsweise „Verkehrsregeln“ geben, die angeben, auf welcher Seite eines Boulders man abklettert, ob man nach oben aussteigen sollte und wo man sich aufhalten sollte, wenn man nicht klettert. Aktuell gelten zudem spezifische Corona-Regelungen, an die es sich zu halten gilt.
Tipp 2: Den Körper vorbereiten
Richtig aufwärmen ist das A und O beim Bouldern. Beim Sprung oder Sturz in die Weichbodenmatte treten schnell hohe Kräfte auf. Aber auch beim Klettern selber werden vor allem Hand-, Ellbogen- und Schultergelenke stark beansprucht, da relativ häufig maximal kräftige oder annähernd maximal kräftige Bewegungen gemacht werden. Das toleriert der Körper nur, wenn man ihn mit gezielten Übungen darauf vorbereitet.
Cool ist es, wenn Du beispielsweise mit dem Fahrrad zur Halle gekommen bist. Dann ist Dein Herz-Kreislauf-System schon einmal in Schwung. Mit einfachen mobilisierenden Übungen und Stretching solltest Du dann die Gelenke geschmeidig machen. Das Bouldern startest Du mit einfachen traversierenden Bouldern an größeren Griffen in niedriger Höhe. Nach einer Reihe von einfachen Bouldern, die Du entspannt boulderst, kannst Du langsam den Schwierigkeitsgrad steigern.
Tipp 3: Gut unten ankommen
Beim letzten Griff angekommen stellt sich die Frage: Wie wieder runter? Runterspringen kostet am wenigsten Kraft, geht am schnellsten… und ist am verletzungsträchtigsten. Denn die Fallenergie, die der Körper bei einer maximalen Höhe von 4,5 Meter erreicht, ist ziemlich groß. Ein Beispiel verdeutlicht das: Stürzt ein 70 Kilogramm schwerer Boulderer aus vier Metern Höhe, kommt dies der Kraft gleich, die man benötigt, um einen 280 Kilogramm schweren Gegenstand hochzuheben.
Verletzungen des Sprunggelenks, der Knie und sogar der Hüfte gehören zu den häufigsten Unfallfolgen beim Bouldern. Schon aus geringer Höhe kann es passieren, dass man bei der Landung umknickt. Daher: Für mehr Sicherheit beim Bouldern am besten Abklettern. Gerade bei Anfängerbouldern ist das gut machbar. Manchmal befindet sich auch ein leichterer Boulder direkt daneben.
Am besten schaust Du Dir vor dem Losklettern an, wie Du wieder runterkommst. Klettere nur so hoch, dass Du im Falle eines Absprungs noch sicher landen kannst.
Tipp 4: Sicher Landen
Bei einem unkontrollierten, also ungewollten, Sturz kommt es auf die richtige Technik an. Die sieht so aus: Im Fallen nimmst Du das Kinn auf die Brust, legst die Arme locker seitlich an den Körper und landest am besten auf den Füßen. Die Restenergie fängst Du damit ab, dass Du Dich sofort nahtlos auf den Rücken rollst. Diese Technik solltest Du unbedingt üben. Zunächst einfach aus dem Stand in die Knie gehen und auf den Rücken rollen, dann simulierst Du die Landung mit Sprüngen aus dem Stand um schließlich aus niedriger Höhe an der Wand abzuspringen. Später kannst Du üben, wie Du Dich im Sprung so drehen kannst, dass Du gut landest.
Judokas können das. Alle anderen müssen üben, üben, üben. Clever ist es, das Absprungtraining in Dein Aufwärmprogramm einzubauen.
Bei überhängenden Bouldern wird die Landung mit den Füßen eher schwierig, sollte aber auch hier versucht werden. Auch hier gilt: Kinn auf die Brust und Arme seitlich anlegen.
Tipp 5: „Hygiene“ im Sturzraum
Das klingt jetzt nach Putzen und hat aber mit Sauberkeit nichts zu tun. Gemeint ist, dass Du vor dem Losklettern abcheckst, ob der Bereich unter Deinem Boulder frei ist von beispielsweise herumliegenden Trinkflaschen oder Bürsten, sitzenden anderen Boulderern oder herumkrabbelnden Kindern. Halte Dich auch selber nicht unter Bouldernden auf und klettere nicht zu nah an jemand anderem. Ein absolutes Sicherheits-No Go ist das Bouldern übereinander.
Tipp 6: Spotten ist nicht Fangen
Manchmal sieht man Boulderer, die mit erhobenen Armen schräg unterhalb ihrer Freunde stehen, um ihnen im Falle eines Sturzes beizustehen. Das Ziel dabei ist nicht, den anderen aufzufangen. Das ist mehr oder weniger unmöglich. Der Spotter versucht vielmehr, den Stürzenden im Flug in eine aufrechte Haltung zu bringen, so dass dieser auf den Füßen landen kann. Sieht leicht aus und ist richtig schwer. Daher: Als Boulderanfänger lässt man davon am besten die Finger. Falsche Technik kann zu Verletzungen beispielsweise an den Fingern führen. Spotten ist also etwas für Fortgeschrittene und sollte gemeinsam mit Experten geübt werden. Tatsächlich ist es in der Halle auch nicht so wichtig wie draußen.
Tipp 7: Kinder in der Boulderhalle
Kinder lieben es herumzutoben. Boulderhallen sind allerdings kein Spielplatz. Kinder, die unbeaufsichtigt im Boulderbereich herumkrabbeln oder laufen, leben gefährlich. Daher müssen Eltern unbedingt ihrer Aufsichtspflicht nachkommen. Trotzdem kommt es immer mal wieder vor, dass ein Kind (bisweilen auch ein Erwachsener) unter Dir herumsteht oder geht. Wenn Du das bemerkst, bitte sie weg zu gehen oder – solltest Du gerade selber klettern – sprich andere laut und deutlich an, das Kind aus dem Gefahrenbereich zu nehmen.
Tipp 8: Augen auf
So easy, entspannt und ungefährlich Bouldern ist: Ein paar Situationen gibt es dann doch, die zu Verletzungen führen können. In manchen Hallen geht immer mal wieder das Personal herum und achtet auf Sicherheit beim Bouldern. Aber auch Du solltest die Augen aufhalten und bei der Sache sein. Es ist zunächst ziemlich ungewohnt, dass über einem jemand herum klettert. Da vergisst man selber schon mal, wo man steht oder sitzt. Andere auch. Je voller die Boulderhalle, desto eher kann das passieren. Und daher ist es absolut legitim, wenn man Mitboulderer auf Gefahrensituationen aufmerksam macht. Macht man das höflich und nicht von oben herab, stört sich keiner daran. Es erhöht die Sicherheit aller, wenn alle ein bisschen ein Auge aufeinander haben.
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