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Eine andere Skitouren-Welt

Skitouren in Nord-Norwegen: Lyngen Alps & Tromsø

10 Minuten Lesezeit
Skitouren zwischen Fjorden und den spitzen Gipfeln Norwegens - geht das so einfach auf eigene Faust? Basti Fiedler war in den Bergen rund um Tromsø und in den Lyngen Alps unterwegs und berichtet von einer Reise in eine andere Skitouren-Welt.

Der Winter zeigte sich in den Alpen in den letzten Jahren nicht von seiner allerbesten Seite. Wir haben uns daher vorsichtshalber schon im Herbst entschieden, einen Teil des diesjährigen Winterurlaubs in Norwegen zu verbringen. Sicher ist sicher – und im hohen Norden sollte es ja genügend Schnee geben. Also sind wir Ende März und Anfang April für zwei Wochen in den Norden Norwegens geflüchtet und haben dort noch tiefen Winter und großteils tolle Skitourenbedingungen vorgefunden. Eine Woche rund um Tromsø und eine Woche Lyngen Alps – das war unser Plan.

Skitouren in Norwegen: Abfahrten wie hier am Kavringtinden bleiben lange in Erinnerung. | Foto: Sebastian Fiedler
Skitouren in Norwegen: Abfahrten wie hier am Kavringtinden bleiben lange in Erinnerung. | Foto: Sebastian Fiedler

Skitouren in Nord-Norwegen

Was erwartet einen, wenn man zum Skitourengehen in Norwegens Norden reist? Die Antwort: eine andere Welt. Auch wenn die meisten Berge „nur“ zwischen 1.000 bis 1.500 Meter hoch sind, kommen doch anständige Tagestouren zusammen, da man meist fast auf Meeresniveau anfellt. Vom Charakter her gibt es das gesamte Spektrum, dass die Alpen auch zu bieten haben: sanfte, gleichmäßig geneigte Hänge findet man ebenso wie Tree-Runs, steile Couloirs ebenso wie sehr alpin ausgerichtete Touren.

Man hat also alle Möglichkeiten zur Verfügung. Insgesamt muss man sagen, dass es sowohl in der Gegend um Tromsø als auch in den Lyngen Alps sehr viele Genusstouren gibt – auch dies ist sicherlich ein Grund, warum Nord-Norwegen unter den geführten Reisen so beliebt ist. Aber auch ambitionierte Skibergsteiger werden (bei den richtigen Bedingungen) voll auf ihre Kosten kommen.

Rund um Tromsø: sanfte Berge und steile Couloirs

Unsere erste Woche haben wir in Tromsø und Umgebung verbracht, einer Stadt mit 70.000 Einwohnern. Dies war für den Anfang super, da man auf Grund der Nähe zu den umliegenden Skitouren-Hotspots – Kvaløya, Ringvassøya, Balsfjorden und Festland Tromsø – viele Möglichkeiten hat. Das Angebot an Skitouren rund um die Stadt reicht – wie im gesamten Norden Norwegens – von entspannten 25-30° Hängen, die am Fjord beginnen, bis hin zu sehr steilen Couloirs. Was uns sehr gut gefallen hat war die Möglichkeit, auch bei miserablem Wetter Skitouren gehen zu können. Viele der Touren haben auf den untersten 400 Höhenmetern lichten Waldbewuchs, was auch bei widrigstem Wetter relativ gute Sicht und Orientierung ermöglicht.

Wir hatten das Glück, dass es die ersten Tage sehr viel und konstant über die Tage verteilt geschneit hat. Die Schneebedingungen waren traumhaft! Dies ging zwar teils auf Kosten der Sicht und erhöhte die Lawinengefahr – aber man fand trotzdem immer eine adäquate, den Bedingungen entsprechende Tour. So konnten wir rings um Tromsø einige sehr schöne Skitouren machen, die so ziemlich alles beinhalteten, was Norwegen zu bieten hat: Sonnenschein und Sicht auf die Fjorde (so wie man sich das vorstellt), absoluter Schneesturm mit Sicht unter einem Meter (so wie man sich das irgendwie auch vorstellt), enge Couloirs und weite Hänge, eisige Kälte und angenehme Wärme – das ganze abwechselnd im 15 Minuten-Takt.

Unter den unzähligen Möglichkeiten hat uns unter anderem der Buren (800 HM, SE, 30°, kurze Anfahrt ab Tromsø und exzellenter Fjord-Blick) sehr gut gefallen, den wir an einem Neuschneetag  bei 30 Zentimeter feinster Pulver als Erste abfahren konnten.

  • Exkurs zum norwegischen Wetter: Wir wussten aus anderen Erfahrungsberichten, dass das Wetter in Norwegen unberechenbar ist. Aber die Beständigkeit, mit der das Wetter teilweise wechselte, war trotzdem beeindruckend. Teils wechselte das Wetter alle 15 Minuten zwischen Schneesturm mit White-Out und strahlendem Sonnenschein hin und her. Die Kunst ist es also, die Sonnenfenster für die Abfahrt zu erwischen.

Skitourengebiete rund um Tromsø

Abfahrt vom Steinfjellet - fünf Minuten vorher herrschte absolutes Whiteout. | Foto: Sebastian Fiedler
Abfahrt vom Steinfjellet – fünf Minuten zuvor herrschte absolutes Whiteout. | Foto: Sebastian Fiedler

Rings um Tromsø gibt es folgende wichtige Skitouren-Hotspots, auf die sich die meisten Touren verteilen und die vom Charakter her und den sich bietenden Blicken unterschiedliche Bedingungen bieten.

  • Kvaløya (westlich von Tromsø) – unser Favorit für so ziemlich alle Bedingungen und tolle Fjord-Blicke
  • Ringvassøya (nördlich von Tromsø)
  • Festland Tromsø (östlich von Tromsø)
  • Balsfjorden (südlich des Festlands)

Die Lyngen Alps: Skitouren zwischen Fjorden und dem offenen Meer

Sucht man bei Google nach „Skitouren Norwegen“, so stößt man zwangsläufig auf die Lyngen Alps. Die Region ist – neben den Lofoten – eines der Zentren für alpine Skitouren und in den letzten Jahren auch des Skitourismus in Norwegen. Während rings um Tromsø das Gelände häufig zu Genusstouren einlädt, sind die etwas weiter östlich gelegenen Lyngen Alps wilder, steiler und alpiner.

Hatten wir in der ersten Woche absolutes Wetter- und Schneeglück, wurde beides in der zweiten Woche in den Lyngen Alps etwas wechselhafter. Wir hatten uns eigentlich vorgenommen, in den Lyngen Alps etwas alpiner unterwegs zu sein, doch leider mussten Eispickel, Seil und Steigeisen in der Outdoor- Tasche bleiben.

„Man ist nie Herr über das Wetter…“ – das gilt auch für die Lyngen Alpen

Die Bedingungen machten uns aufgrund von Regen bis über 1.000 Meter Höhe und teils Lawinenwarnstufe 4 einen Strich durch die Rechnung. Untätig waren wir jedoch nicht und haben statt schwieriger Gipfel einige der bekannten und sicheren Skitouren anvisiert. Wie immer muss man akzeptieren, dass man nicht Herr über das Wetter ist. Also haben wir uns nach sicheren Varianten umgesehen oder auch mal einen Ruhetag eingelegt, die Ruhe und den Frieden genossen, den die Gegend ausstrahlt.

  • Tipp für absolute Down-Days: Die relativ neue Aurora-Spirit Destillerie in Lyngseidet bietet eine tolle Führung mit Verköstigung an (Gin, Whiskey, Aquavit, Wodka) – es gibt durchaus schlechteres Alternativprogramm.

Einen besonders einfachen Zustieg bieten der Rørnestinden (950 HM, SE, 30°, geniale Rundsicht und eine einzigartige Variantenabfahrt nach Norden mit 35-40°) und der Kavringtinden (1.200 HM, NE, 30°), die man beide direkt von Lyngseidet aus begehen kann. Entsprechend beliebt sind die Touren auch unter den geführten Skitourenreisen. Aber Platz war für alle immer genügend vorhanden.

Olderdalen: Skitour ab Fährhafen

Ein weiteres besonderes Erlebnis in den Lyngen Alps: Samt Tourenski mit der Fähre von Lyngseidet nach Olderdalen übersetzen. Direkt vom Hafen aus ist dort entweder der Gillavarri (1.100 HM, W-SW, 30°) oder der Nordmannsviktinden (1.300 HM, SW, bis 35°) zu besteigen. Wenn bereits in der ersten Fähre fast ausschließlich Skitourengeher an Bord sind, scheint dies nicht die schlechteste Alternative zu sein!

Eine etwas längere Fahrt hat man vor sich, wenn man ganz an die nördliche Spitze der Lyngen Alps reisen möchte. Aufgrund des phänomenalen Ausblicks auf das offene Meer ist der Ausflug jedoch sehr lohnend. Superschöne Abfahrten bieten beispielsweise der Steinfjellet (30°, 1.150 HM mit sehr gleichmäßigen Hängen) oder der Storgalten (1.250 HM, 30-35°, ebenfalls sehr weite und offene Hänge).

Die gesamten Lyngen Alps sind auch unter geführten Gruppen sehr beliebt, sodass etwas mehr Andrang herrscht als in den Bergen um Tromsø. Doch da es unendlich viele Möglichkeiten gibt, entzerrt sich der Trubel. Wir konnten immer irgendwo eine unverspurte Linie finden.

Reiseinformationen: Skitouren-Urlaub in Norwegen

Anreise und Flug mit Skiausrüstung

Gute Aussichten kurz vor der Abfahrt vom Rornestinden. | Foto: Sebastian Fiedler
Gute Aussichten kurz vor der Abfahrt vom Rornestinden. | Foto: Sebastian Fiedler
  • Flug: Da die Entfernungen in Norwegen riesig sind, bleibt einem (außer man hat sehr viel Zeit) nichts anderes übrig, als mit dem Flugzeug anzureisen. Ab Stuttgart boten sich für unseren Reisezeitraum nur wenige Verbindungen. Daher mussten wir jeweils über Kopenhagen und Oslo an- bzw. abreisen. Das Umsteigen war zwar etwas umständlich, aber die Organisation durch SAS an den Flughäfen Kopenhagen und Oslo sorgte für einen reibungslosen Ablauf. Von anderen Flughäfen in Deutschland (z.B. Frankfurt) gibt es auch Direktflüge nach Oslo und selten sogar direkt nach Tromsø mit entsprechend günstigeren Preisen.
  • Skigepäck: Ein wichtiges Thema bei Skitourenreisen ist das Skigepäck. Wir haben unsere Reise komplett via SAS gebucht. Dort gilt (Stand 03/2017) die Regel, dass das Skigepäck (= ein Skisack und ein Schuhsack) als zweites Gepäckstück berechnet wird. Dies sollte bei der Buchung unbedingt berücksichtig werden! In unserem Fall war die Buchung in der Serviceklasse SAS Plus günstiger als eine normale Economy-Buchung plus zweitem Gepäckstück. SAS Plus inkludiert zwei Gepäckstücke und bietet etwas mehr Komfort beim Fliegen.
  • Kosten: Unsere Kosten für Hin- und Rückflug ab Stuttgart inkl. zwei Gepäckstücken beliefen sich im März 2017 auf rund 500 Euro. Wie immer gilt: früh buchen kann sich lohnen!

Fliegen mit Airbag-Rucksäcken

Mittlerweile scheinen sich die Flughäfen (und Airlines) an Skitouristen mit Lawinenairbags zu gewöhnen. Die Mitnahme unserer Rucksäcke (von MammutScott und Ortovox) funktionierte bei allen Modellen vollkommen problemlos. Wir haben die Lawinenrucksäcke mit ins Handgepäck genommen, damit wir im Zweifel Fragen mit der Security direkt klären können.

Lawinenrucksack im Flugzeug? Das ist wichtig!

  • Der Lawinenrucksack sollte vollständig transportiert werden (also nicht Kartusche im Rucksack und Auslöseeinheit im Aufgabegepäck)
  • Der Lawinenrucksack muss so transportiert werden, dass eine versehentliche Auslösung nicht möglich ist

    Tromsø ist der ideale Ausgangsort für eine Vielzahl von Skitouren. | Foto: Sebastian Fiedler
    Tromsø ist der ideale Ausgangsort für eine Vielzahl von Skitouren. | Foto: Sebastian Fiedler

  • Die Bestimmungen der IATA sind einzuhalten.
  • Datenblatt des jeweiligen Lawinenrucksacks ausdrucken und griffbereit halten!
  • Prinzipiell ist (laut Auskunft SAS) eine Mitnahme im Handgepäck und im Aufgabegepäck problemlos möglich
  • Tipp: Setzt Euch vor dem Abflug mit der Airline in Verbindung! Viele Fluglinien haben auf ihrer Homepage hierzu die wichtigsten Informationen bereitgestellt. Auch auf den Homepages der jeweiligen Rucksack-Hersteller gibt es in der Regel eine Anleitung, auf was zu achten ist.

Mietwagen in Norwegen

Norwegen an sich ist relativ teuer. Man sollte sich über die Kosten für Flug, Unterkunft und Lebensunterhalt vorher Gedanken machen. Um einen Mietwagen kommt man aber kaum herum – zumindest wenn man flexibel sein möchte. Es gibt zwar auch öffentliche Verkehrsmittel, aber viele der Touren liegen sehr abgeschieden. Zusätzlich beraubt man sich bei Benutzung der Öffis der Flexibilität, die das Skitourengehen hier so besonders macht. Zum Beispiel einfach unterwegs anzuhalten, um noch ein Couloir am Rand des Fjords mitzunehmen …

Unterkünfte in Tromsø und den Lyngen Alps

In Sachen Unterkünfte stehen einem sämtliche Möglichkeiten offen: Vom einfachen Hostel über Air BnB, Ferienwohnungen bis zu Hotels oder geführten Gruppenreisen mit Unterbringung auf dem Boot. Wir haben uns für Unterkünfte via Air BnB entschieden, da ein relativ gutes Angebot an (bezahlbaren) Ferienwohnungen sowohl in Tromsø als auch in den Lyngen Alps vorhanden war. Auch hier gilt: Norwegen ist leider kein günstiges Land, die Preise sind entsprechend hoch. Zudem ist das Angebot in den ländlichen Gegenden relativ dünn.

Dafür bekommt man unter Umständen umwerfende Unterkünfte. Wir mieteten beispielsweise in der zweiten Woche ein kleines Häuslein in der Nähe von Lyngseidet mit eigener Sauna und Fjordblick aus dem Wohnzimmer zu sehr fairen Preisen.

Ein hübsches Couloir nahe Skavskogen sorgt für reichlich Abfahrtsspaß. | Foto: Sebastian Fiedler
Ein hübsches Couloir nahe Skavskogen sorgt für reichlich Abfahrtsspaß. | Foto: Sebastian Fiedler

Literatur-Tipps zum Thema Skitouren in Nord-Norwegen

Es gibt nur begrenzt englischsprachige Skitourenführer über die genannten Regionen:

  • Ski Touring in Troms (82 arctic summits – A backcountry ski guide to some of the finest coastal mountains in Northern Norway), Autor Espen Nordahl, Verlag Fri Flyt.
    Mit diesem Führer waren wir sehr zufrieden, da er die gesamte Gegend rund um Tromsø abdeckt und auch die wichtigsten und lohnendsten Gipfel gut beschreibt.
  • The Lyngen Alps: Skiing / Climbing / Trekking, Autoren Sjur Nesheim & Eivind Smeland, Verlag Fri Flyt.
    Dieser Führer bietet sich an, wenn man sich näher mit dem Gebiet der Lyngen Alps auseinandersetzen möchte. Das Buch deckt ein wahnsinnig breites Spektrum ab und führt auch extremere Touren.
  • Karten: Entsprechendes Kartenmaterial ist entweder online oder vor Ort in gut sortierten Sportgeschäften erhältlich. 

Wichtige Links zum Thema Skitouren in den Lyngen Alps:

  • Lawinenwarndienst Norwegen
  • Fazit: Skitouren in den Lyngen Alps

    Solche Stimmungen sind es, die Skitouren in den Lyngen Alps so attraktiv machen - Abfahrt vom Gratinden. | Foto: Sebastian Fiedler
    Solche Stimmungen sind es, die Skitouren in den Lyngen Alps so attraktiv machen – Abfahrt vom Gratinden. | Foto: Sebastian Fiedler

    Skitouren im Norden Norwegens sind eine ganz spezielle Erfahrung – es war für mich garantiert nicht das letzte Mal. Die spezielle Mischung aus Meer, Fjorden und den direkt anschließenden Bergen ist einzigartig und hält, was sie verspricht: phänomenale Panoramen, schöne Hänge und wunderschöne Skitouren.

    Das Spektrum, dass die Gegend um die Lyngen Alps und Tromsø bietet, ist so breit, dass keine Wünsche offen bleiben. Lange, alpine Touren gibt es ebenso wie entspannte Genusstouren. Enge, steile Couloirs findet man ebenso wie breite und offene Hänge. Man hat tatsächlich die Qual der Wahl!

    Wir hatten uns ursprünglich mehrere alpine Gipfel und Couloirs vorgenommen, die wir leider aufgrund der Wetter- und Lawinenlage nicht durchführen konnten. Entsprechend viele Genusstouren haben wir gemacht und dies auf keinen Fall bereut. Und da wir sicherlich wiederkommen, haben wir noch genügend Zeit, uns den verbleibenden Gipfeln zu widmen.

    Flug gebucht, Tourenplan festgelegt, Ski und Felle gepackt: Brauchst Du noch weitere Skitouren-Ausrüstung für Deine Reise?

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