Hören Kletterer – im Speziellen Boulderer – das Wörtchen „Bleau“, werden die Ohren gespitzt. Das auch als „Font“, „The forest“ und „La Forêt“ bekannte Fontainenbleau gilt als das größte Bouldergebiet weltweit. 50 Kilometer südlich von Paris gelegen wurde es vor Millionen Jahren durch Sedimentation und Erosion geboren. Sein Status ist hingegen längst: unsterblich!
Das erste Mal in Fontainebleau
Wer von Paris auf der Autobahn Richtung „Bleau“ – so die liebevolle Kurzform – fährt, erblickt nichts als Felder, Städte und eine recht monoton anmutende Landschaft, die vor allem eines ist: flach. Wo in aller Welt soll hier bitte das größte Bouldergebiet der Welt versteckt sein? Der erfahrene Boulderer weiß, dass die meisten europäischen Bouldergebiete in den Bergen liegen, oder zumindest unter einer Felswand, deren Bestandteile durch einen Bergsturz irgendwann zu Boulderblöcken geworden sind. Aber hier? Mitten in der Agrarsteppe Zentralfrankreichs?
Bene Hirschmann
Die Fahrt geht weiter – bis nach der Ortschaft Melun plötzlich ein unscheinbares braunes Schild am Straßenrand erscheint: Forêt domaniale de Fontainebleau. Die Autobahn hat man schon eine Weile hinter sich gelassen und fährt auf kleinen, geradlinigen Straßen – fast wie auf einem amerikanischen Highway. So taucht man in einen lichten Eichen- und Kiefernwald ein, das typische Bleau-Ambiente, wie man es als Gebietsneuling vielleicht schon aus einem Video kennt. Aber Felsen? Fehlanzeige! Ein Blick in den Kletterführer verrät: Eigentlich ist man schon mittendrin im Boulder-Mekka.
Um der allgemeinen Verwirrung entgegenzuwirken, wird der Blinker gesetzt und auf eine mehr schlechte als rechte Kiesstraße abgebogen, die laut Topo zu den Blöcken führen soll. Noch einige hundert Meter bis zu einem der typischen sandigen Parkplätze mitten im Wald und noch immer keine Boulder in Sicht! Parken, aussteigen, die Lage sondieren. Ein kleiner Pfad führt in den Wald, die Aufregung steigt ins Unerträgliche.
In „Herr der Ringe“ mussten sich die Gefährten durch den unwegsamen und schier endlosen Wald der Elben kämpfen, um schließlich – völlig vor den Kopf gestoßen – im wunderschönen Waldlandreich zu landen. Welch ein Kontrast! Genau so ergeht es den meisten, wenn sie dem besagten kleinen Pfad in den Wald folgen und urplötzlich in einem Meer aus Sandsteinblöcken stehen, die wenige Schritte zuvor noch gänzlich versteckt waren.
Von der Agrarsteppe über die Autobahn ins Waldlmiandreich, das ist die Reise nach Fontainebleau!
Im Reich der Sandsteinblöcke
Millionen von Sandsteinblöcken warten im Wald von Fontainebleau darauf, erobert zu werden. Leider zu viele für ein Menschenleben. Doch mehr dazu später, wenn es ans Bouldern geht. Zuerst sollte eine Frage geklärt werden, die sich bestimmt jeder Bleau-Besucher schon einmal gestellt hat: Woher kommen all diese wunderbaren Blöcke? Ein Meteorit? Nein. Die Hand der Schöpfung? Vielleicht. Eines steht fest: Das Urmeer ist schuld!
Bene Hirschmann
Vor unzähligen Millionen von Jahren (große Zahlen sind einfach typisch für das Bouldergebiet) lag das Urmeer wie ein düsterer Nebel über den meisten Teilen Europas. So auch an jenem Ort, der später „Fontainebleau“ heißen sollte und der sich zu Urzeiten im sogenannten „Pariser Becken“ befand, welches damals eine Meeresbucht war. Durch wechselseitiges Ansteigen und Abfallen des Meeresspiegels wurde der Sand auf dem Meeresboden „gesäubert“, das heißt fast alle Fremdstoffe (Kalk etc.) entzogen, sodass ein reiner Sandboden entstehen konnte. Als sich lange Zeit danach das Urmeer zurückzog, verblieb in der ehemaligen Meeresbucht eine extrem dicke Sandschicht, die zum Teil bis zu 60 Meter dick war und mit der Zeit zu einer verfestigten Gesteinsschicht wurde. Klimatische Einflüsse sowie Wind und Wasser taten das Übrige und trugen durch Erosion die losen Gesteinsschichten ab. Die daraus resultierenden Risse brachten durch weitere Erosion einzelne Blöcke hervor, die weiter geformt wurden, bis sie zu dem wurden, was sie heute sind: Bester Kletterfels in allen nur erdenklichen Formen.
Filmtipp zu Fontainbleau
Bouldern in Bleau – die Parcours
Eines sei im Voraus gesagt: In Fontainebleau gibt es keine schlechten Boulder, jeder ist auf seine Art einzigartig und interessant. Das Kletter-Klischee überhaupt, nämlich dass es in Fontainebleau keine Tritte und viel zu viele Platten gibt, wird gleich am ersten Tag widerlegt. Hier gibt’s auch Dächer, richtige Dächer! Natürlich sind die flachen bis senkrechten Boulder in der Überzahl, das Angebot an steilen Sachen reicht jedoch wie gesagt für ein Menschenleben – oder zwei…
- Lesetipp: Aufwärm-Übungen vorm Bouldern & Klettern
Die meisten Boulderführer unterscheiden in Fontainebleau zwischen zwei verschiedenen Disziplinen: zum einen die normalen Einzelboulder und zum anderen die „Parcours„, eine weitere Besonderheit des Gebiets: Um für alpine Routen ihre Kondition und Geschicklichkeit in der Vertikalen zu trainieren, begannen ab 1940 französische Alpinisten, im Wald von Fontainebleau mehrere Felsblöcke in einer bestimmten Reihenfolge hintereinander zu besteigen. Sie schufen so eine neue Spielart des Boulderns, die sich heute sehr großer Beliebtheit erfreut und zum Aushängeschild von Bleau geworden ist.
Bene Hirschmann
Bene Hirschmann
Von Anfang an wurden immer neue Parcours erschlossen und definiert. Um Wiederholern eine Orientierung zu geben, wie der jeweilige Parcours funktioniert, wurden die zu besteigenden Blöcke mit kleinen Zahlen und Pfeilen beschriftet. Beginnend bei der Nummer eins folgt man am Ausstieg des Boulders einem Pfeil, der zum nächsten Boulder nur wenige Meter entfernt führt. Viele Parcours zählen über 40 Probleme und stellen in einem Zug geklettert teils hohe Anforderungen an die Kraftausdauer. Man wird schnell feststellen, dass die Markierungs-Zahlen in unterschiedlichen Farben gemalt sind. Diese stehen für die jeweilige Gesamtschwierigkeit des Parcours: Gelb (fb 2 bis 3), orange (fb 3 bis 4) und blau (fb 4 bis 5) sind in den unteren Graden angesiedelt, während rot bereits Schwierigkeiten bis 6c aufweist und weiß bzw. schwarz sogar Einzelprobleme bis 7c oder 8a beinhalten.
Dazu kommen noch diverse andere Farben, die von Gebiet zu Gebiet unterschiedliche Schwierigkeitsspannen festlegen. In der Literatur sind jedoch alle Parcours sehr übersichtlich dargestellt, sodass man sich hier mit etwas Übung gut zurechtfinden wird.
Griffe in allen Varianten – alles außer langweilig
Der Versuch einer allgemeingültigen Beschreibung der Boulder würde wohl jedem einzelnen Boulderproblem Unrecht tun, da die Boulder im Zauberwald von Fontainebleau eigentlich nur eine Tatsache vereint: ihre Vielseitigkeit: Dass jeder Boulder etwas ganz Spezielles ist und nur selten in eine Schublade (Leistenboulder, Lochboulder, Kraftproblem, Platte) gesteckt werden kann. Das ist auch gut so. Möchte man dennoch die meisten Bleau’schen Probleme auf einen gemeinsamen Nenner reduzieren, so trifft es „technisch anspruchsvoll“ wohl am ehesten.
Besonders typisch für Fontainebleau sind die berühmten und teils gnadenlosen Sloper, also ziemlich oder extrem abschüssige Griffe. Diese Griffe können einen schier zur Verzweiflung bringen. Auch die angenehm zu greifenden „Schildkrötenpanzer“ mit ihren runden Buckeln und kleinen Rissen sind eine echte Spezialität. Leisten gibt es an den Sandsteinblöcken jedoch genauso wie in anderen Bouldergebieten, daher brauchen auch Fingerkraft-Spezialisten keine Scheu haben. Nicht selten geht es in den schweren Plattenbouldern um stabile Fingernägel … Auch die steileren Probleme bieten viele Leisten, die sich manchmal scharf an der Grenze zu Rasiermessern bewegen. Eine weitere Besonderheit sind die vielen Löcher des Sandsteins, die vom Einfingerloch bis hin zur mannsgroßen Felsöffnung reichen. Besonders die Überhänge haben abwechslungsreiche Lochkletterei zu bieten.
Ein kleines Detail am Rande: Der Griffhersteller „Bleaustone“ hat sich auf die Griff- und Trittformationen von Fontainebleau spezialisiert und schmückt so gut wie jede Kletterhalle mit seinen Kunstgriffen, die zum Teil sogar eins zu eins aus bekannten Bouldern kopiert wurden und fast schon Fels-Feeling vermitteln.
Eine Frage des Stils – was man in Fontainebleau lernen kann
Wer sich im siebten oder achten Bouldergrad wohl fühlt, wird einen blauen Parcour (wohlgemerkt fb 4a bis 5a) anfangs kaum in einem Zug ohne zu fallen klettern können. Kein Gebiet lehrt einem die Demut vor technischen Bewegungen und kleinen Tritten so gut wie Bleau. Doch man lernt dazu, mit jedem Boulder, egal ob leicht oder schwer. Fontainebleau ist die Schule des ästhetischen Kletterns, die Ballett-Disziplin unter den vielen Facetten des Boulderns. Die Bewegungen und Griffmuster wollen verstanden werden, auch in den steileren Problemen.
Bene Hirschmann
Bene Hirschmann
Projekte in Fontainebleau müssen reifen, zu viel Kraft und Ehrgeiz drehen nicht selten den Spieß um und lassen den „Hau-ruck“-Boulderer alt aussehen. Erst recht dann, wenn plötzlich ein alter Mann mit einem Teppich um die Ecke biegt, dein Crashpad beiseitelegt und deinen „Frust-des-Tages-Boulder“ ohne mit der Wimper zu zucken hinauftänzelt, um so schnell wie er gekommen ist auch wieder zu verschwinden. Diese mal als arrogant empfundenen, mal bewunderten betagten Herren nennen sich selbst „Bleausards“ und bouldern schon ihr Leben lang in Bleau. Kein Tritt ist ihnen zu klein und keine Platte zu hoch. Die personifizierte Kletterkunst. Wenn sie bayerisch könnten, würden sie wahrscheinlich ihre Beziehung zu Bleau mit den Worten definieren: „I bin a Bleausard, und do bin i dahoam“.
Wer also in Fontainebleau abheben will, dem sei eines ans Herz gelegt: Geduld, Geduld, Geduld. Langsam anfangen, ein paar leichte Platten klettern, sich mit dem Stil und der Ästhetik des Gebiets vertraut machen und sich nicht frustrieren lassen, wenn ein 4a-Boulder erst nach 30 Versuchen funktioniert. Kein Meter in Fontainebleau ist umsonst, und das im doppeldeutigen Sinne: Auf der einen Seite muss man immer etwas Zeit und Hirn in ein Problem stecken. Auf der anderen Seite bekommt man dafür immer etwas zurück: einen schönen, besonderen Boulder und ein kleines bisschen mehr Klettererfahrung.
Der Wald – The magic forest
Ich glaube, wenn man in Fontainebleau nicht bouldern könnte, würde ich trotzdem immer wieder hinfahren. Der lichte Wald mit seinen Kiefern und Birken, die Sandwüsten beim Zustieg, die Sandsteinblöcke mit ihren unglaublichen Formen – Bleau ist ein Ort voller Geheimnisse, die es nicht nur in abertausenden von Boulderproblemen zu lüften gibt. Nicht selten begegnet man versteinerten Schlangenköpfen, Schildkröten, Vögeln, Hunden oder Zwergen. Ich bin kein Esoteriker, doch im Wald von Fontainebleau spürt man, besonders in den Morgen- und Abendstunden, ein gewisse Magie, die diesen Ort umgibt. Wer das nicht glaubt, der möge sich zwei Wochen frei nehmen und nach Fontainebleau fahren – und wenn ihr genau genug hinschaut, werdet ihr begreifen, was ich meine.
Absprung(-gelände) – Unkompliziert und komfortabel
Meist ist die Landezone der Boulder sehr gut und kann mit einem einzelnen Crashpad ausgelegt werden. Der Boden ist stellenweise verwurzelt und verblockt, in den meisten Gebieten jedoch mit Sand bedeckt und daher eher weich. Dies ist besonders bei den leichteren Parcours-Bouldern vorteilhaft, da man hier zum Teil sogar ohne Crashpad bouldern kann oder mit einem kleinen Pad zurechtkommt. Entsprechend gilt: auch mit Kindern ist das Gebiet eine tolle Adresse – wie ein riesiger Sandkasten. Und auch für die Kleinen gibt es zahllose Boulderblöcke, an denen sie herumkraxeln können.
Außerdem kann man in vielen Gebieten mit den Kletterschuhen von Block zu Block laufen, weil der Boden angenehm sandig ist und keinen Dreck macht. Ganz wichtig: Den Sand immer von den Sohlen wischen, weil ansonsten der Fels kaputt geht bzw. die Tritte einfach nicht halten (daher der Teppich der Bleausards). Wenn man pro Person ein Crashpad rechnet, kommt man in Fontainebleau gut über die Runden. Wer die harten Testpieces versuchen möchte, sollte sich vorher informieren, ob eventuell mehrere Pads nötig sind.
Kletterethik in Fontainebleau – No Chalk!
Sandstein ist eine besondere Felsform mit großen Poren. Daher kann Chalk (Magnesia) viel leichter in die Griffoberfläche eindringen und diese „verkleben“. Dadurch geht die Reibung der Griffe gegen Null und der Boulder ist nachhaltig geschädigt. Deshalb sollte man das uralte Bleau-Gesetz niemals vergessen: Chalk soll in Fontainebleau nicht verwendet werden!
Wer sich fragt, wie so etwas beim Bouldern funktionieren kann, dem sei versichert: Es klappt! Besonders die leichteren Parcours und Platten lassen sich meist ohne Chalk begehen. Natürlich ist ein Griff in den Chalkbag auch in Fontainebleau ein immer häufiger werdender Anblick, aber dennoch sollte sparsam damit umgegangen werden und die Magnesiaspuren wieder weggebürstet werden. Ansonsten wäre das beste Bouldergebiet der Welt bald nicht mehr das, was es ist!
Aber Bleau wäre nicht Bleau, wenn es keine ganz spezielle Lösung für das Chalk-Problem gäbe: Ein Kunstharz namens „Pof„. Die pulvrige weiße Substanz wird in einen durchlässigen Lappen geschnürt, der dann kleine Mengen des Harzes freigibt, sobald man darauf klopft, vergleichbar mit einem Chalkball. Der Effekt ist dem von Chalk sehr ähnlich: Pof trocknet die Handflächen bzw. die Haut jedoch schneller aus als Magnesia. Dennoch ist dieses Kunstharz eine gute Alternative, die von den Bleausards und generell dem Großteil der Fontainebleau-Besucher angenommen und verwendet wird.
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Die Top-Boulderspots in Fontainebleau
Fontainbleau ist so groß, dass ein Blick auf die einzelnen Bouldergebiete und ihre Charakteristiken lohnt. Wir stellen euch hier die wichtigsten Spots vor:
1. Bas Cuvier
Das wohl bekannteste Gebiet mit Vor- und Nachteilen: direkt an der Hauptstraße Richtung Fontainebleau, daher kein Zustieg, jedoch meist viele Leute, besonders an Wochenenden und Feiertagen, wenn Familien hier den Tag verbringen. Über 600 Boulder und Parcours in allen Farben. Trocknet schnell nach Regen. Hier gibt es den ersten 6a-Boulder („Marie Rose“) und den ersten 6c-Boulder („Le Joker“) von Bleau zu holen.
2. Cuvier Rempart
Direkt neben Bas Cuvier mit etwas längerem Zustieg. Nichts für Parcour-Liebhaber. Meist schwere und überhängende Boulder von 7a bis 8c, die Kultstatus besitzen, darunter „Big Boss“ (7c) und „Noir desir“ (7c). Mit „C’etait Demain“ (8a) konnte Bleau-Urgestein Jacky Godoffe hier den ersten 8a-Boulder des Gebiets erstbegehen.
3. Gorges d‘Apremont
Großes beliebtes Gebiet bei Barbizon mit Schwerpunkt von Fb 5 bis 7b. Hier befinden sich Klassiker wie „Le piano“ (6b) oder „Science Friction“ (6a), der Inbegriff einer Bleau-Platte. Viele Parcours und schöne Lage an einem gegliederten Hang im Wald mit vielen Rückzugsmöglichkeiten weg von den Menschenmassen. Etwas längerer Zustieg von 20 Minuten, dafür sehr viele Boulder, sodass man hier kaum an einem Tag alles gesehen hat. Die legendäre Pommesbude aus dem Kult-Boulderfilm „The Real Thing“ von Jerry Moffat und Kurt Albert befindet sich am Parkplatz des Gebiets.
4. Franchard Isatis
Zusammen mit Bas Cuvier und Roche aux Sabots wohl das beliebteste Gebiet. Kein Zustieg. Bietet Schatten im Sommer. Hier liegen die vielleicht schönsten Parcours des ganzen Gebiets und bekannte Einzelboulder im siebten Bouldergrad wie „Superjoker“ (7c+).
5. Franchard Cuisinière
Etwas längerer Zustieg von 20 Minuten, dafür eine Unmenge an schönen Bouldern in den mittleren Schwierigkeitsgraden. Der blaue und rote Parcour zählt zum Besten, was der Wald zu bieten hat. Extrem-Klassiker wie der Drei-Zug-Boulder „Karma“ (8a+), die gnadenlos glatte Fingernägel-Platte „Duel“ (8a) und der weltberühmte Sprung „Hale Bopp“ (7c+) können hier bestaunt werden. Mit „Beatle Juice“ (7a+) findet sich hier ein etwas gemäßigter Klassiker mit toller überhängender Lochkletterei.
6. 95.2
Sonniges Gebiet mit viel Sand und schönem Ambiente auf einer mit einigen Kiefern bewachsenen Hügelkuppe. Etwas längerer Zustieg von 20 Minuten. Klassiker wie den Sprung „L’ange naif“ (7c) oder den überhängenden Bug „Retour aux Sources“ (7a+) sollte man sich nicht entgehen lassen. Im Sommer meist zu heiß.
7. Roche aux Sabots
Beliebtes Gebiet bei Milly la Forêt mit fünfminütigem Zustieg. Parcours in allen Schwierigkeiten bieten für jeden das Richtige. Der Extrem-Klassiker „Sale Gosse“ (7c / mit Sitzstart 8a) befindet sich mitten im Gebiet. Wer dem Weg weiter nach hinten in den Wald folgt und dann rechts abbiegt, gelangt zum Cul de Chien, dem letzten hier genannten Top-Gebiet:
8. Cul de Chien
Ein landschaftlich einmaliges Gebiet mit etwas längerem Zustieg von 20 bis 25 Minuten. Diese riesige Sandfläche mit Boulderblöcken vermittelt ein Gefühl wie in der Wüste. Eines der Wahrzeichen von Fontainebleau findet sich mitten auf der großen Sandfläche vor dem eigentlichen Gebiet: der „Hundekopf“ (le bilboquet), der tatsächlich aussieht wie das Haupt eines haarigen Vierbeiners. Ein anspruchsvoller blauer und roter Parcour warten hier auf Begeher. Klassiker wie „Eclipse“ (7c), „Arabesque“ (7b+) oder das berühmte Dach „Le toit du cul de chien“ (7a) machen dieses Gebiet zum absoluten Muss! An Wochenenden ist hier meist viel los, da die Sandwüste nicht nur Boulderer, sondern auch Wanderer und Familien anzieht.
Anfahrt und Orientierung in Bleau
Die Anfahrt sei hier nur kurz behandelt, da sie erstens nicht besonders schwierig ist und zweitens je nach Übernachtungsort und Startort sehr unterschiedlich ausfällt. Hier einige Fahrzeiten (mit Pausen) mit dem PKW von deutschen Städten aus: ab München 9 Stunden, ab Berlin 12 Stunden, ab Saarbrücken 4,5 Stunden (kürzer geht’s nicht). Generell sollte man immer bedenken, dass die französischen Autobahnen mautpflichtig sind. Am besten kann man die dadurch zusätzlich anfallenden Reisekosten mit dem ADAC Routenplaner berechnen lassen, sehr praktisch!
Viel schwieriger als die Anfahrt gestaltet sich das Finden der jeweiligen Bouldergebiete, da in Fontainebleau meistens jede Straße gleich aussieht: Eine mehr oder weniger gerade Linie durch den Wald, von welcher dann oft nur eine kleine Schotterstraße zum Gebiet führt. Am leichtesten ist natürlich die Wegfindung mit dem Navi, besonders wenn man praktischerweise die Parkplatz-Koordinaten im Topo zur Verfügung gestellt bekommt. Wer ohne Navi unterwegs ist, orientiert sich am besten an den markanten Kreisverkehren, die dann und wann die langen Geraden unterbrechen. Auch bei der Gebietssuche gilt das übliche Bleau-Prinzip: Übung macht den Meister! Wer einmal den Dreh raus hat, kann sich – zumindest grob – orientieren und findet den Weg vom Übernachtungsort zur nächstgrößeren Verbindungsstraße. Womit das nächste Thema ansteht: Wo übernachtet man am besten in Bleau?
Übernachtung: Camping und Gites
In Fontainebleau bieten sich zwei Varianten der Übernachtung an: Entweder die gängige Variante auf einem der zahlreichen und schönen Campingplätze oder ein Ferienhaus („Gîtes“). Meistens befinden sich die Unterkünfte nicht direkt in der Stadt Fontainebleau, sondern im näheren Umkreis, wo auch die meisten Bouldergebiete sind.
Campingplätze
- „La Musardiere“ bei Milly la Forêt: sehr empfehlenswerter, bei Boulderern beliebter Campingplatz mit komfortablen Zeltplätzen und Bungalows zu recht moderaten Preisen. Großer Platz mit Pool, neue Sanitäranlagen, die Besitzer sprechen Englisch. Ganzjährig geöffnet.
- „Les Prés“ bei Grez-sur-Loing: Schöner, sauberer Campingplatz, der allerdings etwas „steriler“ und gegliederter ist als der „Musardiere“. Einfach ein klassischer Campingplatz.
Gites
- Um Fontainebleau gibt es Gites wie Sand am Meer. Meist sind diese Unterkünfte mit einer Ferienwohnung zu vergleichen, manchmal bekommt man gleich ein ganzes Haus für sich. Diese – auch bei Boulderern – sehr beliebte Art der Übernachtung ist bei einer ausreichend hohen Personenzahl erstaunlich günstig und – besonders in der Nebensaison – nur geringfügig teurer als der Campingplatz. Für die Hauptsaison sollte man rechtzeitig reservieren. Die meisten Gites sind sehr schön und die subjektive Entscheidung über Einrichtung und Preis liegt bei jedem Einzelnen. Allgemeine Infos lassen sich ganz einfach googlen oder unter Gites de France beziehen.
Boulderführer: Empfehlungen für Fontainebleau
Hier hat man die Qual der Wahl! Über zwölf Boulderführer beschreiben die Einzelboulder und Parcours von Bleau. Es gibt gesonderte Einzelboulder-Topos sowie Parcours-Führer, aber auch Kombinationen aus beidem. Hier eine Auswahl mit der wichtigsten Charakteristik:
- Bleau À Bloc Bouldern in Fontainebleau (Versante Sud; 336 Seiten): Über 5000 Boulderpassagen im Bereich von 6a bis 8c, ausführlich beschrieben und bebildert. Die Zeichnungen und Foto-Topos ermöglichen eine einfache Orientierung im Wirrwarr der Blöcke von Fontainebleau. Eine derart umfang- und kenntnisreiche Arbeit ist nur durch die tatkräftige Unterstützung von Locals möglich. Mit Jacky Godoffe hat sich sicherlich DER Gebietskenner schlechthin mit Kompetenz und Leidenschaft dieser Aufgabenstellung gewidmet.
- Fontainebleau Climbs. The finest bouldering and circuits (240 Seiten): Schöner Kombi-Auswahlführer mit über 100 Karten, knapp 100 Parcours und mehr als 3000 Einzelbouldern, vorgestellt von mehreren Locals. Zusätzlich gibt es Geschichten über die Entstehung des Gebiets und andere wertvolle Informationen für Neulinge.
- Bleau en Bloc Boulderführer (Panico; 648 Seiten): Ein echter Schinken! Und mehr als ein Auswahlführer. Hier werden unzählige Parcours vorgestellt, nur wenige wurden hier aufgrund geringer Attraktivität nicht verzeichnet. Auch Einzelboulder werden berücksichtigt, jedoch meist nur als Auflistung pro Gebiet ohne dazugehöriges Topo. Wer also nur Einzelboulder klettern will, sollte lieber zu einem der anderen Topos greifen. Für Gebietsneulinge und Parcours-Fans ist dieser Führer jedoch die richtige Wahl! Zustiege und Infos über das Gebiet sind sehr ausführlich beschrieben. Einer der wenigen Bleau-Führer auf Deutsch.
- Fontainebleau. Bouldering „Off-Piste“ (288 Seiten): Alle Einzelboulder ab 6a in den gängigen Gebieten gibt’s hier zu sehen. Ein weiteres Mal unter anderem präsentiert von Jacky Godoffe, der den Bouldersport in Bleau und weltweit entscheidend mitgeprägt hat.
- 5 + 6 Boulderführer West/Nord (Bart van Raaij; 272 Seiten) & 5 + 6 Boulderführer Zentral/Süd (320 Seiten): Diese beiden Topos vereinen so gut wie alle Einzelboulder im fünften und sechsten Bouldergrad. Für alle Genussboulderer ein echtes Muss! Parcours haben hier keinen Platz, dafür gibt es sehr übersichtliche Gebietskarten, die das Finden der Boulder extrem erleichtern.
- 7 + 8 Boulderführer Fontainebleau (Bart van Raaij; 287 Seiten): Die Steigerung des „5+6“-Topos ist der „7+8“-Boulderführer mit allen Einzelproblemen im siebten und achten Bouldergrad. Etwas für die Highend-Fans! Auch hier sind die sehr guten Übersichtsskizzen und Boulderkarten eine große Hilfe.
- „Essential Fontainebleau“ (Stone Country Press; 112 Seiten): 350 ausgewählte Boulder in allen Graden, eine Art Best-Of von Bleau. Sehr praktisch!
- Fontainebleau Fun Bloc, Escalade-Bouldering (Jingo Wobbly Publishing; 320 Seiten): Schluss mit Chaos! Super Boulderführer mit praktischen Foto-Topos von den lohnendsten Einzelbouldern in allen Schwierigkeitsgraden mit übersichtlichen Karten und wertvollen Details zu den Bouldern.
- Fontainebleau Top Secret – Font Bloc Volume 2 (Jingo Wobbly Publishing; 320 Seiten): Hier werden die weniger überrannten, versteckteren und ruhigeren Felsblöcke vorgestellt. Über 9000 Einzelboulder sowie 130 Parcours werden durch gute Karten und Übersichtsskizzen ergänzt.
Die beste Jahreszeit – Frühling, Sommer, Herbst und Winter!
- Wer im Genuss-Bereich unterwegs ist, kann zu jeder Jahreszeit nach Fontainebleau kommen.
- Wer schwere Boulder projektieren will, braucht optimale Bedingungen. Die Reibung muss passen, die „conditions“ müssen gut sein. Generell ist die Zeit von September bis Mai die beste für Bleau, will man kleine Leisten und schlechte Sloper halten. Doch auch im Sommer können die ein oder anderen 7c’s oder 8a’s fallen! Das kontinentale Klima in Fontainebleau lässt in den frühen Morgenstunden schweres Bouldern zu, da die Temperaturen am Morgen und am Vormittag noch angenehm kühl sind. Eine Mittagspause bringt die perfekte Alternative zum Bouldern in der Mittagshitze, dafür kann es am Abend nochmal losgehen! Kurzum: Wer gute Bedingungen will, muss Glück haben, und das zu jeder Jahreszeit.
- Auch in den kälteren Monaten kann das Wetter der Reibung einen Strich durch die Rechnung machen, vor allem wenn sich die Feuchtigkeit nach längeren Regenfällen im Wald hält. Im Sommer verdunstet die Feuchtigkeit recht schnell und lässt Bouldern bereits wenige Minuten nach dem Regen wieder zu, weil die meisten Blöcke sehr schnell trocknen.
Eine sehr große Rolle für gute Bedingungen in Fontainebleau spielt der Wind. Auch wenn es länger geregnet hat, kann man bei darauffolgendem Wind oft die besten Bedingungen haben, die man sich überhaupt vorstellen kann. Die Griffe „kleben“ dann regelrecht. Ich kann mich noch gut an ein derartiges Erlebnis erinnern, als wir nach einem langen Regentag am Abend zum Cul de Chien stapften, in der Hoffnung, ein paar trockene Boulder zu finden. Tatsächlich hatte der Wind nicht nur ALLE Boulder nach den zwei Stunden Regenpause komplett trockengeblasen, er hatte auch dafür gesorgt, dass wir die besten Bedingungen unseres Lebens erleben durften. Innerhalb von fünf Minuten konnten wir den Mega-Klassiker „Eclipse“ (7c) klettern, ein paarmal auschecken hatte gereicht. Am Tag danach fühlte sich der Boulder schier unmöglich an, als wir der Neugierde halber noch einmal die glatten Griffe betasteten, die sich am Tag zuvor wie Schmirgelpapier angefühlt hatten.
Restdays are best days – Ruhetagsprogramm in Fontainebleau
Wer nach zwei oder drei Tagen Bouldern am Abend nach Hause kommt, verspürt höchstwahrscheinlich ein mehr oder weniger starkes Brennen der Fingerkuppen. Oder ein durch allgemeine Ganzkörper-Erschöpfung hervorgerufenes Bedürfnis nach einem Ruhetag. Wie gut, dass sich die Stadt der Liebe, die Weltmetropole Frankreichs nur 50 Kilometer und eine Zugfahrstunde entfernt befindet. Auf nach Paris! Mit dem Auto fährt man am besten die paar Kilometer nach Melun und von dort per Bahn mit einem Kombi-Ticket nach Paris. Eiffelturm, Louvre und Notre Dame warten schon auf euch.
Wer nicht so weit fahren möchte, findet in der Stadt von Fontainebleau selbst zahlreiche Freizeitmöglichkeiten. Eine Besichtigung des gigantischen Schlosses mit einer Bootsfahrt auf dem künstlich angelegten Schloss-See gehören zum Lohnendsten, was die Stadt zu bieten hat, zusammen mit der sehr schönen Innenstadt und ihren vielen Läden. Wer im Sommer baden gehen will, sei vorgewarnt. In Bleau gibt es zum Baden weder geeignete Seen noch Flüsse. Der Pool am Campingplatz oder die kalte Dusche müssen hier leider genügen. Und zuletzt mitunter die beste Möglichkeit für einen aktiven Ruhetag: Gebietsbesichtigungen. Einfach drauflosfahren, durch neue, noch unbekannte Bouldergebiete streifen und sich für die kommenden Tage inspirieren lassen.
Fazit zu Fontainebleau
Fontainebleau – ein Gebiet der Superlative: Das größte Bouldermekka der Welt. Zu viele Boulder, um jemals alle davon überhaupt nur berührt zu haben. Das beste Bouldermekka der Welt. Nach dem ersten Besuch ist man einfach vom Bleau-Fieber infiziert. Man munkelt, das bleibt ein Leben lang. Dagegen ist kein Kraut gewachsen! Es gibt Schlimmeres.
Alle Infos zum Bouldern in Fontainebleau auf einen Blick:
- Gestein: Sandstein in allen denkbaren Formationen; der Untergrund ist oft sandig und bietet gutes Absprunggelände. Auch für Familienurlaube hervorragend geeignet.
- Anreise: Meist von Deutschland aus auf der A5 in Richtung Paris, dann abhängig von der Gebietswahl weiter > mehr Infos
- Übernachtung: Campingplätze bei Milly la Forêt oder Grez-sur-Loing oder eine der bekannten Gites (Hütten) > mehr Infos
- Ausrüstung: normale Boulder-Ausrüstung
- Verpflegung: Supermärkte in den einzelnen Ortschaften
- Kletterführer: hier gibt es eine ganze Auswahl an Kletterführern; hier werden die wichtigsten vorgestellt
- Beste Jahreszeit: September bis Mai, wobei man auch im Sommer bouldern kann; Hitze verbessert die Reibung allerdings nicht gerade > mehr Infos
Der Beitrag wurde ursprünglich im November 2016 veröffentlicht und zuletzt am 21. Mai 2024 optisch überarbeitet. Zudem wurde ein Beitrag aus der ARD-Mediathek ergänzt.