Hinweis: Dieser Testbericht stammt aus dem Jahr 2014. Das Produkt wurde überarbeitet, Bergzeit Einkäufer Christian erklärt Dir die Updates des Deuter Aircontact (Stand April 2023).
„Die Deuter Aircontact Reihe heißt jetzt Deuter Aircontact Core. In der neuen Serie wurde die Polsterung des Kontaktrückens optimiert, was für optimierte Luftzirkulation sorgt und den Tragekomfort erhöht. Zudem werden alle Produkte nun zu 100% aus recycelten Materialien hergestellt. Und last but not least sind die neuen Rucksäcke leichter geworden.“
Christian Siebrecht, Bergzeit Einkäufer
Zugegeben, ich musste mich mit dem neuen Mitglied meiner persönlichen, über Jahre aufgebauten Deuter-Familie erst anfreunden: Neben dem kleinsten Cross Bike 18 und dem Trans Alpine fürs Biken, dem Freerider 26 für Skitouren, dem alten Steep Deep – meinem ersten Kletterrucksack von vor zehn Jahren – und dem Giga Bike für die Uni wirkt er einfach wie ein Riese.
Das Aircontact-Tragesystem von Deuter
Verglichen mit meinem minimalistischen Marmot-Kletterrucksack verhält sich das Aircontact-System wie ein Fünf-Sterne-Bett zu einer Isomatte: alles ist dick gepolstert, anatomisch geformt und auf die individuellen Körpermaße einstellbar. Ebenfalls ungewohnt für mich als Kletterer, für das Tragesystem jedoch unerlässlich, ist der steife Rücken des Packsacks. In ihm verbergen sich zwei x-förmig angeordnete Mehrkammer-Aluprofilschienen, die die Last auf den Hüftgurt übertragen.
Bene Hirschmann
Bene Hirschmann
Rucksack richtig anpassen: Ein Kriterium für perfekte Funktionalität
Die Anpassung an die Rückenlänge geht dank Vari-Quick-System ruckzuck: Klettverschluss öffnen, herausziehen und an der richtigen Stelle wieder in vier Schlaufen einfädeln, Klettverschluss schließen, fertig. Alles hält bombenfest. Einziges Manko: Bei sehr kleinen Personen und entsprechend tief liegendem Tragesystem steht der Rucksack oben so weit über, dass die Kopffreiheit für den Blick nach oben ein wenig eingeschränkt ist.
Die durch eine Aluschiene geformte, anatomische Kopfmulde am oberen Ende des Rückenteils liegt dann zu hoch. Eine Alternative ist in diesem Fall zum Beispiel die Damenvariante Aircontact 60 + 10 SL, da Deuter bei seiner SL-Serie der durchschnittlich geringeren Rückenlänge von Frauen Rechnung trägt. Mit Kletter- oder Radlhelm auf dem Kopf stoßen beim „normalen“ Aircontact 65 +10 auch große Personen an ihre Grenzen, aber Einsätze in Verbindung mit einem Helm sind ohnehin nicht das ausgewiesene Einsatzgebiet des Reise- und Trekkingrucksacks.
Bene Hirschmann
Bene Hirschmann
So sitzt der Rucksack richtig
Die Rückenlänge von Rucksäcken ist optimal eingestellt, wenn der gepolsterte Teil der Hüftflosse auf den Beckenknochen aufsitzt. Das Gewicht liegt dadurch in erster Linie auf der Hüfte und die Schultern werden entlastet, was ich als sehr angenehm empfinde. Die zweifache Pull-Forward-Verstellung des Beckengurts ist leichtgängig und kann jederzeit während des Gehens nachjustiert werden. Trotz der auffallend dicken, fast wuchtigen Polsterung (fester Schaum mit 3D AirMesh-Bezug) ist die Bewegungsfreiheit zum Beispiel bei hohen Stufen oder Querungen im Steilgelände durch den Hüftgurt nicht eingeschränkt, da die Vari Flex-Hüftflossen vertikal beweglich und anatomisch geformt sind.
Wenn die Rückenlänge und der Sitz des Hüftgurtes passen, folgt die Feinjustierung der ebenfalls dick mit 3D AirMesh gepolsterten Schulterträger und der Lageverstellriemen, die dank spezieller Triglide-Schnallen auch unter Last leicht bedienbar sind. Mittels zweier Fixpunkte können auch sie an die Rückenlänge angepasst werden. Der Trägeransatz hinten sollte dabei so niedrig sein, dass die Träger nicht am Hals scheuern und der Schwerpunkt der Last möglichst nah am Körper liegt. Ein höhenverstellbarer Brustgurt sorgt dafür, dass die Träger nicht verrutschen. Am Schluss kann man noch die Kompressionsriemen an der Hüftflosse zuziehen und so die Lastenverteilung perfektionieren.
Maximaler Komfort dank Wohlfühl-Rücken
Auch wenn sich dieses Hightech-Modell von Deuter leider nicht von alleine trägt – wann gibt es endlich Helium-Ballons, die Rucksäcke nach oben ziehen? – sogar mit maximaler Zuladung liegt der Aircontact 65 + 10 stabil und kompakt auf dem Rücken. Nichts wackelt, man kann sich frei bewegen – soweit man mit 20 Kilo auf dem Buckel überhaupt noch zu dynamischen Bewegungen fähig ist.
Bene Hirschmann
Dank atmungsaktivem Hohlkammer-Funktionsschaum im Rückenpolster hält sich auch das Schwitzen beim Aircontact 65 + 10 in Grenzen. Der Clou ist ein Pumpeffekt in den Hohlkammern, der bei jeder Bewegung ausgelöst wird. An schwül-heißen Junitagen mit 30 Grad im Schatten stößt der ansonsten gut funktionierende Luftaustausch allerdings an seine Grenzen. Das Funktionsshirt klebt dann selbst bei guter Belüftung auf dem Rücken.
Das Packsystem des Deuter Aircontact 65 + 10
Auch beim Packen ist die Variabilität von Deuters Lastenesel fast grenzenlos: Kompressionsriemen, Reißverschlüsse und Erweiterungen verwandeln den Aircontact 65 + 10 von einem etwas zu groß geratenen Tagesrucksack in ein Raumwunder mit bis zu 75 Litern Fassungsvermögen. Im großen Hauptfach mit integriertem Nasswäschebeutel kann man dank des Front-Reißverschlusses in den Tiefen des Rucksackes wühlen, ohne ihn von oben öffnen zu müssen. Das separate Bodenfach darunter (getrennt durch einen Reißverschlussboden) ist ebenfalls von außen zugänglich. Dadurch kann der Rucksack im liegenden Zustand und zum Beispiel in Kombination mit Eagle Creek-Packsäcken oder Exped Organizern genauso ordentlich bedient werden wie eine Reisetasche. Das Deckelfach hat das Fassungsvermögen eines kleinen Daypacks und kann mittels Riemen in der Höhe verstellt werden (wichtig für die Kopffreiheit und Stabilisierung im beladenen Zustand).
Auf der Innenseite des Deckels verbirgt sich ein Versteck für Wertsachen. Das seitliche Kartenfach ist eine gute Idee, aber leider für einen Alleingänger ein bisschen schwer zugänglich. Er muss den Rucksack abnehmen, um es zu erreichen. Praktisch hingegen ist die kleine Tasche am Hüftgurt fürs Smartphone, den Geldbeutel oder eine kleine Kamera. Alle Reißverschlüsse sind sehr massiv und stabil vernäht, die Zipper groß und gut zu fassen.
Bene Hirschmann
Platz für jede Menge Material
Was mich als Kletterer besonders freut, sind die zwei Funktionsleisten mit zehn Schlaufen zur Materialbefestigung und der Riemen unter der Deckeltasche zur Fixierung des Seils. Die Halterung für Stöcke und Pickel, die Kompressionsriemen des Bodenfachs (zum Beispiel für die Befestigung der Thermarest-Matte) und die Ösen auf der Deckeltasche für zusätzliches Gepäck erweitern die Packmöglichkeiten beispielsweise für eine Alpenüberquerung mit dem Zelt. Die integrierte, jedoch abnehmbare Regenhülle darf dabei ebenso wenig fehlen wie das SOS-Label auf der Innenseite der Deckeltasche, das bei einem Notfall als praktische Gedächtnisstütze dienen kann. Trinkflaschen haben in den beiden seitlichen, offenen Außentaschen Platz, außerdem sind Zugänge für ein Trinksystem vorhanden.
Mein Fazit zum Deuter Aircontact 65 +10
Der Aircontact 65 + 10 ist so etwas wie der Kaltblüter unter den Pferden: Nicht gerade leicht, aber gutmütig und unverwüstlich. Mit ihm kann man als Trekker und Weltenbummler durch dick und dünn gehen, der Rucksack wird dank seiner stabilen Verarbeitung, seiner durchdachten Features und nicht zuletzt seines zeitlosen Designs auch noch nach zehn und mehr Reisen treue Dienste leisten. Als Tages-Kletterrucksack ist er mir zu wuchtig, auf meinen nächsten Mehrtagestouren in den Alpen und den hoffentlich noch kommenden Fernreisen wird mich der geräumige Trekkingrucksack aber mit Sicherheit begleiten. Bericht folgt!
- Größtes Plus: Tragekomfort dank individueller Anpassungsmöglichkeiten
- Minus: Gewicht. Aber, bei 15 Kilo Zuladung kommt es auf ein paar hundert Gramm mehr oder weniger auch nicht an und die Vorteile des Tragekomforts wiegen dieses Manko zu 100 % auf.
- Mein Tipp: Der Aircontact 65 + 10 ebenso wie seine kleineren Geschwister sind optimale Trekkingrucksäcke für bergsportbegeisterte Familien! Das Tragesystem lässt sich auf Väter, Mütter und Jugendliche im Wachstum anpassen – je nachdem, wer gerade unterwegs ist. Einer genügt!