Die Bernina-Gruppe mit ihrer geballten Gipfelprominenz gehört für mich zu einem der schönsten Hochtourengebiete der Alpen. Vor acht Jahren habe ich zum ersten Mal die Gipfel des Piz Palü (3.901 Meter), und vor allem seine unglaublich spektakulären Nordabbrüche, bewundert. Drei weiße Gipfel krönen diesen fantastischen Berg, dem weniger als hundert Meter zum Viertausender fehlen. Auf jeden der drei Gipfel leitet ein Pfeiler. Der mittlere, eingebettet zwischen zwei Hängegletschern, wird Bumillerpfeiler genannt. Er gilt noch heute als schwierigste der drei Pfeilerführen.
Der Bumillerpfeiler und seine Ansprüche
Vor einigen Jahren gehörten die schweren Routen im Bernina-Gebiet für mich definitiv noch in die Kategorie „Träume“ aber nicht in meine Hochtourenplanung. Über die Jahre, und die regelmäßigen Besuche in der Bernina-Gruppe, stieg das bergsteigerische Niveau und somit auch die Zielsetzungen.
Der Bumillerpfeiler war mir von Anfang an ein Begriff – vor allem, weil er neben seinem verdienten Ruf als schwerste Route der Region und auch sonst mit ganz beachtlichen Herausforderungen aufwartet. Die Grundvoraussetzungen und Fähigkeiten – das Einrichten von Standplätzen und Zwischensicherungen mit mobilen Mitteln wie Friends und Klemmkeilen – sowie das Klettern im oberen fünften Schwierigkeitsgrad mit Bergschuhen, schwerem Rucksack und gegebenenfalls Steigeisen schreckt so manchen Bergabenteurer ab.
Am 16. August 2013 war es dann soweit: die Fitness stimmte und das Wetter spielte auch mit. Der Wetterbericht versprach drei Tage stabilen Hochdruckeinfluss, die Verhältnisse im Pfeiler waren relativ schneearm und mit meinem Begleiter Alex war auch schnell ein absolut zuverlässiger Partner für eine Besteigung gefunden.
Von der Diavolezza zum Biwak
Eher gemütlich startet der erste Tag mit der dreistündigen Anfahrt von Rosenheim nach Pontresina und dem Packen des Rucksacks am Parkplatz der Diavolezza-Bahn. Wer es bequem mag, nimmt die Bahn (24 SFr) und schläft im Berghaus Diavolezza (ab 69 SFr). Für Puristen und Sparfüchse bieten sich für die 1.000 Höhenmeter zwei Aufstiegsmöglichkeiten – entweder über eine direkte Forststraße oder einen schönen Wanderweg. Wir entscheiden uns für die Straße, da wir unsere Rucksäcke samt üppigem Abendessen mit entsprechenden Getränken, Zelt, Schlafsack usw. nicht unnötig lange am Rücken haben wollen. Auf dem Zustiegsweg zum Gletscherbecken finden wir schnell einen geeigneten und bereits vorbereiteten Biwakplatz zum Kochen und Nächtigen.
Um halb vier Uhr morgens klingelt der Wecker. Es hat plus fünf Grad Celsius, die Nacht ist sternenklar. Damit ist es entschieden: die prinzipiell schnellere, aber objektiv gefährlichere Eisvariante für das erste Drittel des Pfeilers fällt flach.
Um sechs Uhr klettern wir die erste Seillänge
In eineinhalb Stunden erreichen wir den Felseinstieg und können bereits um sechs Uhr die erste Seillänge klettern. Außer uns befinden sich noch zwei weitere Seilschaften am Einstieg, denen wir durch einen direkten Versuch (so 6+/A1) zu Entkommen wollen. „Das sind sicher Engländer, so einen Sch*** wie die klettern“, ist der letzte Kommentar, den wir von den Kletterern unter uns hören. Unbeeindruckt davon übernimmt die Routine das Kommando und so geht es allmählich hoch: Klemmkeil legen und Expressschlinge einhängen, Schlinge reintreten und hochsteigen und wieder von vorne das Ganze. So bleiben wir wenigstens warm! Trotz des anfänglichen Verhauers sind wir schnell außer Sichtweite und der Seilschaft unter uns mindestens drei bis vier Seillängen voraus. Das soll auch den ganzen Tag so bleiben.
Die Gipfeleiswand des Bumillerpfeiler
Der Fels ist hier meist sandig, brüchig, mit Schuttbändern durchsetzt, aber immer wieder mit netten Kletterstellen bis zum fünten Grad garniert. Nach zwei Stunden in zunehmend kompakter werdenden Fels stehen wir am Firngrat und gönnen uns eine erste Pause. Weiter geht es jetzt mit Steigeisen über den ca. 200 Metern langen Firngrat der direkt in den Schlüsselwandteil der Bumiller-Tour führt: Plattigen, rissigen, meist kompakten Granit, der zwar ganz gut abzusichern, aber an einigen Stellen vereist und beschneit ist. Die Steigeisen bleiben also dran, was lediglich auf den Platten ein bisschen psycho ist.
Nach etwa zwölf bis 14 Seillängen in konstanter Schwierigkeit und nicht immer auf dem leichtesten Weg stehen wir um 13 Uhr an der Gipfeleiswand. Fast schon enttäuscht erblicke ich das letzte klägliche, 60 Grad steile Drittel der bekannten Eisnase, die ich zwei Jahre zuvor noch in überhängender Pracht aus dem Ostpfeiler bewundern durfte. Na gut, dann eben gemütlich am laufenden Seil und über die letzten 500 Meter zum Gipfel. Beim Abstieg über den Normalweg schweifen die Gedanken und Blicke schon wieder ab: Es gibt noch viel zu tun in der Bernina-Gruppe!
Bumillerpfeiler am Piz Palü
Bereits im Jahr 1877 wurde von Bumiller und Gefährten der mittlere Pfeiler des Piz Palü erstbegangen. Heute gehört der Bumillerpfeiler zu den Klassikern der Alpen-Nordwände.
- Anstieg: Vom Diavolezzahaus südwärts zum Persgletscher absteigen und diesen in südlicher Richtung bis zum Einstieg auf etwa 3.100 Meter (1-2 Stunden) queren.
- Abstieg: Über den Ostgipfel zur Fuorcla Pers und über den Persgletscher zurück zur Diavolezza (2-3 Stunden)
- Schwierigkeiten: kombinierte Kletterei mit Schwierigkeiten von bis zu 5+ im Fels
- Beste Zeit / Ausrüstung: Juni, Juli, August / Eis- und Kletterausrüstung
- Führer: SAC-Führer Bündner Alpen, Band V. Landeskarte der Schweiz, Blatt 1277 (Piz Bernina), Massstab 1:25 000.
- Download: Topo-Beschreibung zum Bumillerpfeiler von Wolfgang Hanus
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