Stärker werden, sprich: seine Maximalkraft beim Bouldern zu steigern, bedeutet härter Bouldern. Die Experten Patrick Matros und Dicki Korb von der Kraftfactory, weltweit bekannt als die Coaches des Spitzenkletterers Alexander Megos, haben ein Mustertraining für den gezielten Kraftaufbau beim Bouldern zusammengestellt. Diese 2-stündige Trainingseinheit gliedert sich in vier Phasen:
- Warm up durch Mobilisierung (ca. 15 Minuten)
- Boulder klettern (ca. 60 Minuten)
- Maximalkraft-Übungen (ca. 30 Minuten)
- ACT-Training (ca. 10 Minuten)
Video: So trainierst Du Deine Maximalkraft!
Das kannst Du mit Deinem Training erreichen
Ein regelmäßiges Krafttraining hilft Dir, besser zu bouldern, denn: Mithilfe der notwendigen Kraft in Schultern, Armen und dank eines starken Core fallen Dir maximalkräftige Züge leichter. Zwar ist die Technik das A & O beim Bouldern, aber ohne eine gewisse Portion an Stärke gelangst Du bald an die Grenzen der machbaren Boulder. Die folgenden Übungen helfen Dir dabei, dass Du Dich länger an kleinen Griffen und Leisten halten und auch in Überhängen oder Dächern dynamisch weiter bouldern kannst. Außerdem wirst Du merken, dass Du eine stabilere Körpermitte bekommst und Dein Körper weniger verletzungsanfällig wird.
Wie oft Du das Kraftraining in Dein Training integrieren solltest, hängt davon ab, wie regelmäßig Du boulderst. Boulderst Du nur selten, versuche Dich trotzdem einmal an den Übungen.
1. Warm up durch Mobilisierung
Wärme Dich immer auf, bevor Du mit Deinem Training startest. Für das Warm-up solltest Du mindestens 15 Minuten einplanen, um Deinen Körper auf das kommende Training vorzubereiten. Die Übungen der Kraftfactory konzentrieren sich auf die Beweglichkeit des Schultergürtels und der Hüfte, da Du diese Muskel- und Gelenkgruppen beim Bouldern auch besonders beanspruchst. Achte bei allen Übungen darauf, dass Du sie langsam und kontrolliert, also ohne Kompensationsbewegungen ausführst. Üben mit Partner oder vor dem Spiegel hilft Dir dabei. Wiederhole alle Bewegungen mehrmals und führe sie auch in die andere Richtung aus.
Für die Schultergelenke
Übung 1: Arm kreisen
Starte mit dem Aufwärmen, indem Du den Arm waagerecht vor den Körper hältst. Dabei zeigt Deine Handfläche von Körper weg. Nun hebst Du Deinen Arm so weit gestreckt nach oben, bis Du eine Art „Sperre“ im Schultergelenk spürst. Dann versuchst Du, nur durch eine Rotation Deines Armes (das heißt, die Handfläche dreht sich nach hinten) weiterzukommen, bis sich der Arm wieder in der Ausgangsstellung befindet. Versuche auch einmal, in die andere Richtung zu starten.
Worauf solltest Du achten? Vermeide, die „Sperre“ im Bereich der Brustwirbelsäule („Aufdrehen“ im Oberkörper) und des Schulterblattes (Schulter „heben“) aufzuheben, um den Arm weiter nach hinten zu führen.
Bergzeit
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Übung 2: Schulterblatt im Stütz mobilisieren
Nimm eine Liegestützhaltung ein, bleibe dabei jedoch auf Deinen Knien, um den Hebel etwas zu verkürzen. Es kommt bei dieser Übung nicht darauf an, besonders viel Kraft aufzubringen! Nun versuche, mit gestreckten und einwärts gedrehten (Ellenbogen „zeigen“ zueinander) ausschließlich Dein Schulterblatt zu bewegen. Erst mit kreisenden Bewegungen (vor und zurück), anschließend nach oben und nach unten.
Worauf solltest Du achten? Mache keinen „Katzenbuckel“, denn dann bewegst Du auch Deine Brustwirbelsäule mit.
Bergzeit
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Für eine bewegliche Hüfte
Übung 1: Bank mit Bein kreisen
Ausgangsstellung bei dieser Übung ist die Bankposition (auch bekannt als Vierfüßlerstand). Nun ziehst Du Dein Bein mit angewinkeltem Knie unter Deinen Körper. Versuche dabei, mit Deiner großen Zehe so weit wie möglich zu Deinem gegenüberliegenden Ellenbogen zu kommen. Dann wanderst Du mit Deinem Knie seitlich am Körper nach außen und anschließend nach hinten. Erst wenn sich Dein Knie gerade hinter dem Körper befindet, kannst Du versuchen, das Knie weiter nach oben zu führen und dabei die Ferse so weit es geht, an Dein Gesäß heranzuführen.
Worauf solltest Du achten? Halte während der ganzen Zeit einen Kniewinkel von ca. 90° aufrecht. Du wirst merken, dass es ein wenig unangenehm ist, das Knie nach oben zu führen. Verkrampfen sich hierbei Deine Muskeln, ist dies das Stoppsignal Deines Körpers. Führe nun Dein Bein in die Ausgangsposition zurück.
Bergzeit
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Übung 2: Ausfallschritt mit Armkreis (Hüftgelenk und Brustwirbelsäule)
Du beginnst mit einem Ausfallschritt. Nun führst Du den Arm der Körperseite mit dem aufgestellten Bein gestreckt nach hinten. Diesmal darfst Du in der Brustwirbelsäule nachgeben. Das merkst Du daran, dass sich Deine Schulter nach oben bewegt. Als Variante kannst Du Deinen Arm unter die Achsel der anderen Körperseite bringen und anschließend gestreckt nach oben bringen. Versuche, in der Endposition Deinen Daumen körperseitig nach hinten zu drehen.
Worauf solltest Du achten? Vermeide, dass Du in dieser Position nicht zu arg in der Lendenwirbelsäule „durchhängst“. Spanne dafür Deine Gesäßmuskulatur an.
Bergzeit
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Aufwärm-Übungen im Flow
Übung 1: Bank revers mit Laufen und Kreisen
Du startest in der umgedrehten Bankposition. Lass nun Dein Gesäß durchhängen, Du musst Deinen Rumpf nicht in der Waagrechte halten. Versuche nun, mit langsamen und kontrollierten Bewegungen nach vorne und dann wieder nach hinten zu „laufen“. Als Variante kannst Du Dich nun über ein Bein nach innen und dann wieder nach außen drehen. Dies erfordert ein wenig Übung, trainiert aber sehr gut Deine Bewegungskontrolle in einer gestreckten Endposition Deines Schultergelenks.
Worauf solltest Du achten? Achte auf Dein Gleichgewicht und auf das sorgfältige, diagonal versetzte Aufsetzen von Hand und Fuß. Wenn Deine Handgelenke wehtun (dies ist vor allem der Fall, wenn Deine Finger gerade nach hinten zeigen), drehe sie etwas seitlich zum Körper. Grundsätzlich sind diese Schmerzen immer ein Zeichen eines unbeweglichen Handgelenks und verkürzter Unterarmmuskeln, wie sie Kletterer leider oft haben.
Bergzeit
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Übung 2: Hüftgelenk im Bärensitz für die Innen- und Außenrotation
Setze Dich in den so genannten Bärensitz (aufrecht hinsetzen und die angewinkelten Beine dabei nach außen fallen lassen, bis die Knie den Boden berühren) und stütze Dich mit Deinen Armen rücklings ab. Nun beugst Du Deine beiden Beine im Kniegelenk ca. 90°. Halte diese Position im Kniegelenk und drücke anschließend Deine Knie abwechselnd rechts und links zum Boden.
Worauf solltest Du achten? Führe die Bewegung nur im Hüftgelenk aus und hebe dabei nicht mit dem Gesäß vom Boden ab.
Bergzeit
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2. Maximalkräftige Boulder klettern
Wie trainierst Du Maximalkraft im „normalen“ Boulderbereich? Irgendwann kommt natürlich der Punkt, an dem Du merkst, dass Du an Bouldern scheiterst, weil Du Probleme hast, Griffe festzuhalten oder den nächsten Griff durch Blockieren zu erreichen. Du wirst es vor allem in Überhängen merken. Wichtig dabei ist, dass Du die Sache langsam angehst. Hastiges „Springen“ von Griff zu Griff mit anschließend unkontrolliertem Ausschwingen Deines Körpers kann Deiner Schulter auf Dauer sehr schaden!
Was gibt’s zu beachten?
Beim Training maximalkräftiger Boulder solltest Du nicht erschöpft sein. Ein vorheriges Kraft- oder Ausdauertraining ist daher nicht zu empfehlen. Die Verletzungsgefahr im Finger- oder Schulterbereich aufgrund einer unkontrollierten Bewegung ist einfach zu groß. Ebenso solltest Du auf ausreichende Pausen achten. Es bringt bei dieser Art von Training nichts, wenn Du nicht gut erholt wieder in den Boulder einsteigst.
Welche Boulder eignen sich zum Trainieren der Maximalkraft?
Suche Dir bei dieser Art von Training eher überhängende Boulder mit guten Griffen. Es muss nicht gleich ein Dach sein! Taste Dich vorsichtig an immer stärkere Überhänge heran und versuche, jeden Zug kontrolliert zu machen, indem Du den Wandkontakt mit den Füßen hältst und die Spannung aus den Füßen heraus aufbaust. Um es Dir leichter zu machen, kannst Du anfangs die Griffe „doppeln“, also nacheinander mit beiden Händen nehmen. Wirst Du stärker, kannst Du versuchen, den Boulder ohne „Doppeln“ zu klettern oder sogar einige Griffe auslassen.
3. Peripheres Training der Maximalkraft
Plane für ein peripheres Training der Maximalkraft in etwa 30 Minuten ein. Die zwei folgenden Übungen führst Du an einer Klimmzugstange aus, die Du in vielen Boulderhallen im Trainingsbereich findest.
Übung 1: Scapular Klimmzüge
Du hängst mit beiden Armen in Klimmzugposition an der Klimmzugstange, zur Entlastung kannst Du Dich mit den Füßen in ein Powerband stellen. Wähle die Stärke des Bandes so, dass Du einigermaßen entspannt mindestens 20 Sekunden hängen kannst.
Wie führst Du die Übung aus? Drehe nun Deine Ellbogen leicht nach innen. Du wirst merken, dass sich durch die Drehung die Position Deiner Schulterblätter verändert und sie sich zusammenziehen. Nun lässt Du mit gestreckten Armen Deinen Kopf zwischen die Schulterblätter sinken, und schiebst ihn wieder nach oben, ohne dabei die Arme zu beugen. Du bewegst also nur die Schulterblätter auf und ab.
Bergzeit
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Übung 2: Typewriter Klimmzüge
Auch bei dieser Übung hängst Du mit beiden Armen in Klimmzugposition an der Klimmzugstange, zur Entlastung kannst Du Dich mit den Füßen in ein Powerband stellen. Wähle die Stärke des Bandes so, dass Du mindestens 5 Klimmzüge machen kannst.
Wie führst Du den Typewriter aus? Jetzt machst Du einen Klimmzug: Du ziehst so weit hoch, bis Du mit dem Kinn über der Stange bist und schiebst nun Deinen Kopf langsam zur Seite. Erst über die eine Hand und dann zur anderen Hand, immer hin und her.
Bergzeit
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Übung 3: Klimmzüge
Der Klassiker, aber auch hier liegt der Focus darauf, dass Deine Ellbogen leicht nach innen rotiert sind und beim Hochziehen am Körper entlang laufen. Wähle die Stärke der Bandes so, dass Du circa 6 Klimmzüge machen kannst.
4. ACT-Training mit Druckschlinge
Für das ACT-Training kannst Du etwa 10 Minuten Deiner Trainingseinheit einplanen.
Übung 1: Liegestütz in den Ringen
Du stützt Dich mit den Händen in den Ringen in Liegestützposition. Ist das zu schwer, gehst Du dabei auf die Knie. Nun machst Du Liegestütze.
Worauf solltest Du achten? Drehe die Ringe so, dass Deine Arme dabei eng am Körper entlang laufen und halte diese Spannung während der gesamten Übung aufrecht.
Bergzeit
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Übung 2: ACT-Rowings
Du stellst Dir eine Erhöhung (Kasten, Stuhl o.ä.) ungefähr in Entfernung von einer Körperlänge vor die Ringe. Die Ringhöhe stellst Du so ein, dass Du eine fast waagrechte Position hast, wenn Du die Ringe mit ausgestreckten Armen greifst und die Füße auf der Erhöhung liegen. Nimm bei der Übung ein Miniband zwischen die Handgelenke und gehe in die Ausgangsposition. Das heißt: mit den Füßen auf die Erhöhung, Arme gestreckt in den Ringen hängend, Körper waagerecht. Ziehe das Miniband mit Deinen Handgelenken soweit auseinander, bis Deine Hände circa schulterbreit positioniert sind. Die Übung heißt deshalb Rowing, weil Du nun wie beim Rudern mit beiden Armen soweit es geht nach oben ziehst. Deine Hände sind dabei zueinander gedreht und Deine Ellenbogen laufen am Körper entlang.
Worauf solltest Du achten? Das Zauberwort heißt bei dieser Übung Körperspannung. Halte Deinen Körper gerade in einer Linie und vermeide es, in der anblockierten Position den Kopf über die Ringhöhe zu bringen. Das ist nicht das Ziel der Übung! Vielmehr ist es wichtig, dass Deine Schulterblätter die ganze Zeit in einer stabilen Position bleiben, was durch das ACT-Band verstärkt wird. Durch das seitliche Auseinanderziehen des Bandes bringst Du Deine Schulterblätter automatisch zusammen.
Bergzeit
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Hast Du Fragen zu einer der Übungen? Dann schreib uns gerne in den Kommentaren!