Was ist Ausgleichstraining – und warum sollten Kletterer das machen?
Beim Klettern und Bouldern werden besonders die Fingerbeuger, die Arminnenrotatoren und die Schulterbeuger beansprucht. Damit auch die Gegenspieler der Muskeln stark sind und keine Fehlhaltungen oder Überlastungen entstehen, müssen diese trainiert werden. Das nennt man dann Ausgleichsübung, da der entgegengesetze Muskel im „Ausgleich/Gleichgewicht“ stehen soll.
Wichtig für die Verletzungsprophylaxe durch Antagonistentraining sind beim Klettern insbesondere Finger, Arme und der Rücken. Fingerprobleme, Kletterer-Ellenbogen, Schulterschmerzen und Schulterprobleme lassen sich durch regelmäßiges Antagonistentraining vermeiden.
Unsere Bergzeit Kletterexperten stellen euch die wichtigsten Ausgleichsübungen vor. Gegenspieler zu Muskeln, die beim Klettern und Bouldern sehr beansprucht werden, lassen sich beispielsweise sehr gut durch Übungen mit dem Thera-Band, dem Sling-Trainer oder mit Yoga trainieren. Denn wer muskuläre Dysbalancen durch entsprechendes Krafttraining vermeidet und ganzheitlich trainiert, sichert seine Gesundheit auch auf lange Sicht.
1. Übungen mit dem Thera-Band (Finger, Ellbogen, Schultern)
Thera-Band: Fingerstrecker
Das Fitnessband ist ein elastisches Gummiband in verschiedenen Stärken (sehr leicht dehnbar bis sehr schwer dehnbar, farbige Kodierung der einzelnen Stärken). Die Wahl der passenden Thera-Band-Stärke ist hierbei sehr wichtig. Empfehlenswert sind Bänder mit mittlerer Elastizität (Farbe rot/grün/blau). All diese Übungen sollten bewusst langsam und richtig ausgeführt werden und mit eher geringer Belastung.
- Alle fünf Finger in einem sehr weichen Theraband zusammenführen (siehe Bild) und langsam strecken.
- Die zweite Hand hält das Band in Position.
- Dauer: ca. 30 Sekunden mit drei Wiederholungen.
Diese Übung kann man natürlich für jeden Finger einzeln machen, was aber zeitaufwändiger ist. So werden die Fingerstrecker trainiert, die Gegenspieler der Fingerbeuger, die beim Klettern sehr beansprucht werden.
Thera-Band: Außenrotation des Unterarms
Diese Übung ist ein guter Ausgleich für die permanente Rotation nach innen, die beim Klettern sehr häufig vorkommt.
- Das Thera-Band mehrmals um die Handfläche wickeln, sodass es abklemmt, wenn ich die Hand nach außen rotiere. Die umwickelte Hand schaut zu Beginn mit der Handfläche nach unten.
- Die zweite Hand fixiert das Band.
- Die umwickelte, nach unten schauende Hand rotiert sie um ca. 120° nach außen und wieder zurück.
- Dauer: ca. 10 Wiederholungen in drei Serien
Drei Theraband-Übungen für die Schulter
Diese Übungen stabilisieren durch das Stärken der Antagonisten die Schultern und wirken so Schmerzen in der Schulter entgegen. Die Ausgangposition ist für alle drei Übungen gleich: Hier sollte man unbedingt eine gerade Körperhaltung einnehmen. Das bedeutet:
- Füße hüftbreit auseinander stellen
- Bauch anspannen, kein Hohlkreuz (Wirbelsäule gerade halten, Becken nach „vorne kippen“)
- „Pobacken zusammenziehen“
1. Außenrotation Schulter
Startposition
- Schultern nicht nach „oben“ ziehen, sondern „unten“ lassen (in Richtung Boden)
- Schultern nicht nach „vorne“ ziehen, sondern nach „hinten“ (Schulterblätter zusammenziehen)
- Ellenbogen liegen immer eng seitlich am Körper an
Durchführung
- 10 Wiederholungen pro Arm
- langsame Durchführung in beide Rotationsrichtungen
- Rotation maximal um 90 Grad
- Ruhiges, durchgehendes Weiteratmen
2. Zwei Übungen für die Arm-Adduktoren
Ausgangsposition:
Ausgangsposition für beide Übungen gerade Körperhaltung (s.o.).
- Stand: leicht gebeugte Knie
- Hüfte vorklappen und
- Bauch anspannen, sodass man kein Hohlkreuz hat,
- Schulterblätter möglichst immer unten lassen
Variante 1: Arm von oben nach unten
Der Aufhängepunkt des Thera-Bandes muss höher als der eigene Kopf liegen.
- Gestreckter Arm im 90° Winkel zum Körper. Wichtig: die Schulter unten lassen (s. Bilder rechts)
- Arm langsam und gestreckt nach unten zum Körper ziehen
- Endstellung: Arm am Körper
- nun Arm langsam wieder in die Ausgangsposition bewegen
Variante 2: Arm diagonal von unten nach oben
Der Aufhängepunkt des Thera-Bandes liegt bei dieser Übung unten auf Fuß-/Bodenhöhe.
- Arm ist schräg unten auf der anderen Körperseite
- Den gestreckten Arm diagonal nach oben bewegen
- Endposition: Arm ist schräg nach oben gestreckt
- Nun Arm wieder in Ausgangsposition bewegen
2. Übungen mit dem Slingtrainer und Turnringen
Butterfly Reverse – Übung mit dem Slingtrainer
Mit dem Slingtrainer (auch TRX genannt) können die Gegenspieler in der Schulter ebenfalls sehr effizient trainiert werden. Neben einigen Übungen für die Körperspannung, die auch direkt für das Klettern von Nutzen sind, ist der Butterfly Reverse sehr gut als Ausgleichsübung. Mit dieser Übung trainierst Du den unteren und oberen Trapezius (Kapuzenmuskel) und auch Deinen Trizeps. Der Trizeps wird als Gegenspieler zum Bizeps trainiert und der Trapezius, um als Gegenspieler des typischen Kletter-Rundrückens zu fungieren und eine aufrechte Haltung zu trainieren.
Ausgangsposition:
- Startposition T: Arme sind ausgestreckt vor dem Körper, Hände greifen die Griffe des Slingtrainers und die Handflächen zeigen nach innen.
- Umso mehr Körperneigung, desto schwieriger wird diese Übung. Meine Empfehlung ist, zunächst mit geringer Belastung ein Gefühl für die richtige Bewegung aufzubauen.
- Bewegung: Arme gestreckt lassen, diese nach außen führen. Dabei den ganzen Körper anspannen, um ein Hohlkreuz zu vermeiden. Mit den Schultern nicht ausweichen.
- Endposition T: T-Position, Arme zeigen senkrecht zum Körper und seitlich gerade weg, anschließend wieder in Startposition bringen.
- Wiederholungen: 8-12 mit 2-3 Minuten Pause dazwischen, insgesamt 3 Sätze
Variante – Butterfly Reverse T und Y
Bei der Variante Butterfly Reverse Y/T werden die Arme abwechselnd zur Seite und im 45 Grad-Winkel nach oben gezogen. Variiere die Standposition. Je nachdem wie steil Du in der Endposition stehst, desto schwerer bzw. komplizierter ist die Übung.
- Startposition und Bewegung wie oben.
- Dann folgt Bewegung Y: Bei gestreckten Armen (Handflächen zeigen nach unten) diese nach oben und hinten führen und dabei den ganzen Körper anspannen. So wird ein Hohlkreuz vermieden.
- Endposition Y: Y-Position, Arme zeigen in Y-Form senkrecht zum Körper und nach oben.
- Anschließend wieder in Startposition gehen und mit T-Variante fortfahren.
- Wiederholungen: Immer zwischen Bewegung T und Y wechseln. Ca. 12 Wiederholungen = 1 Satz, 3-5 Minuten Pause, insgesamt 3 Sätze
Mehr zum Thema Training mit Slingtrainer findest Du in unseren Beiträgen Slingtrainer-Übungen für Kletterer und Core-Training für Kletterer und Boulderer.
3. Yoga
Eine sehr gute Möglichkeit, schwach ausgeprägte Antagonisten ins Klettertraining mit einzubeziehen und so den Körper wieder ins Gleichgewicht zu bringen, ist Yoga. Je ausgeglichener und symmetrischer die Muskeln im Körper sind, umso gerader kann das Skelett aufgerichtet werden – und umso weniger kommt es zu einer Belastung der Gelenke.
Wichtig: Yogaübungen erzielen nur dann ihre Wirkung, wenn auf eine präzise Ausführung und symmetrische Ausrichtung geachtet wird. Für den Anfang ist also ein erfahrener Yogalehrer von Nutzen. Keine Übung darf schmerzen!
Wir haben im Beitrag Yoga für Kletterer zehn Übungen für euch vorgestellt, die ihr einfach zuhause nachmachen könnt.
4. Regeneration mit der Blackroll
Durch vor allem im Training oft harte Belastungen verkleben die Muskel- und Bindegewebshüllen der jeweiligen Extremität. Diese kann man mithilfe von Dehn- und Bewegungsübungen neu strukturieren und das Gewebe so wieder elastischer machen. Eine weitere gute Ausgleichsübung ist deshalb das Faszien-Ausrollen mit der Blackroll.
Der Vorteil an der Arbeit mit einer Faszienrolle ist, dass man fast nichts falsch machen kann. Die Roll-Richtung ist nicht von großer Bedeutung, da man das Bindegewebe wie einen Schwamm ausdrückt. Für die Regeneration nach dem Training rollt man am besten regelmäßig und langsam. Beim Unterarm die Beugesehne abrollen. Durch das Lösen der Faszien kann das Laktat schneller abfließen.
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